Die zeitgerechte Stadt für Familien - Lehrstuhl für Planungstheorie ...
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Empirische Untersuchung<br />
Fazit<br />
2.3 Fazit Empirische Untersuchung<br />
Gründe <strong>für</strong> Alltagsorganisation<br />
+<br />
Ursachen <strong>für</strong> Zeitkonflikte<br />
gesellschaftlich<br />
infrastrukturell,<br />
stadtpolitisch<br />
privat<br />
In der empirischen Untersuchung in Aachener <strong>Familien</strong> bestätigten<br />
sich die, im Rahmen der Zeitgerechtigkeit häufig diskutierten,<br />
Ursachen von Zeitkonflikten der fehlenden Vereinbarkeit von Beruf<br />
und Familie und dadurch entstehende Betreuungsengpässe,<br />
zu wenig Zeit im <strong>Familien</strong>alltag sowie die fehlende Abstimmung<br />
von Öffnungszeiten auf den <strong>Familien</strong>alltag, mit Ausnahme der<br />
Öffnungszeiten des Lebensmitteleinzelhandels.<br />
Neben diesen in der <strong>zeitgerechte</strong>n <strong>Stadt</strong>planung bereits Beachtung<br />
findenden Ursachen von Zeitkonflikten und Zeitnot bestätigten<br />
sich auch die aus der Analyse des Alltags von <strong>Familien</strong><br />
abgeleiteten Untersuchungsannahmen, dass sich <strong>Familien</strong> aufgrund<br />
von Bequemlichkeit und einer mangelnden Abstimmung<br />
des öffentlichen Personennahverkehrs hauptsächlich mit dem<br />
Auto fortbewegen und Kinder u.a. aufgrund des hohen motorisierten<br />
Verkehrsaufkommens und der dadurch vorhandenen Gefahr<br />
durch die Eltern begleitet werden, welche bisher in Projekten<br />
zur <strong>zeitgerechte</strong>n <strong>Stadt</strong> keine Beachtung finden.<br />
In der empirischen Untersuchung konnte eine große Bedeutung<br />
der Begleitmobilität <strong>für</strong> Zeitkonflikten und Zeitnot im <strong>Familien</strong>alltag<br />
ermittelt werden: Wie die Verwendung von Zeit zeigt, ist<br />
die Wegezeit der Eltern mit durchschnittlich 1,7 Stunden am Tag<br />
häufig länger oder zumindest genauso lang wie ihre eigene Freizeit.<br />
Dabei werden an dem untersuchten Tag der <strong>Familien</strong> durchschnittlich<br />
81% der Wege der Grundschüler in Begleitmobilität<br />
zurückgelegt und 39% der Wege der Eltern sind durch Begleitmobilität<br />
bedingt. Für die hohe Begleitmobilität sind besonders<br />
die Wege zu den Hobbys der Kinder relevant, die, häufig aufgrund<br />
einer großen Entfernung zur Wohnung und zu den gebündelten<br />
räumlichen Bezugsorten, den der Großteil der begleiteten Wege<br />
darstellen. Dabei trägt Begleitmobilität zu einer starken Taktung<br />
des Alltags der Eltern und so zur Entstehung von kurzen Zeitfenstern<br />
außerhalb der Arbeitszeit bei.<br />
Den meisten Interviewpartnern ist die Begleitmobilität als Ursache<br />
von Zeitkonflikten nicht bewusst, da sie als Zwangsmobilität<br />
in den meisten <strong>Familien</strong> als unumgängliche Notwendigkeit angesehen<br />
wird. In Projekten zur <strong>zeitgerechte</strong>n <strong>Stadt</strong> <strong>für</strong> <strong>Familien</strong> sollte<br />
deshalb über eine hohe Begleitmobilität als mögliche Ursache<br />
von Zeitkonflikten aufgeklärt und Alternativen <strong>für</strong> eine Begleitmobilität<br />
der Eltern aufgezeigt werden.<br />
Begleitmobilität findet einerseits aufgrund privater Gründe,<br />
wie beispielsweise der persönlichen Angst um die Kinder<br />
statt. Einen weiteren Grund <strong>für</strong> Begleitmobilität stellt<br />
die Auffassung der Gesellschaft dar: <strong>Die</strong> Eltern fühlen sich<br />
unter Druck gesetzt ihre Kinder dem hohen Verkehrsaufkommen<br />
nicht selbstständig auszusetzen. Auch infrastrukturelle<br />
und stadtpolitische Bedingungen wie beispielsweise<br />
ein Mangel an Direktverbindungen des öffentlichen Personnennahverkehrs<br />
und das damit verbundene notwendige<br />
Umsteigen der Kinder bei potenzieller selbstständiger Mobilität,<br />
spielt eine Rolle <strong>für</strong> die hohe Begleitmobilität der untersuchten<br />
<strong>Familien</strong>.<br />
Zwei weitere in der empirischen Untersuchung ermittelte und<br />
bisher in der <strong>zeitgerechte</strong>n <strong>Stadt</strong>planung unbeachtete Ursachen<br />
<strong>für</strong> Zeitkonflikte stellen die Zeit- und Mobilitätsbelastung<br />
im <strong>Familien</strong>alltag durch das Aufsuchen zentraler Discounter und<br />
Versorgungszentren sowie durch den Mangel an in das Haushaltsbudget<br />
von <strong>Familien</strong> passendem, familiengerechtem Mietwohnraum<br />
in der <strong>Stadt</strong> dar.<br />
Aufgrund fehlenden in das Haushaltsbudget von <strong>Familien</strong> passenden,<br />
familiengerechten Mietwohnraums müssen <strong>Familien</strong> an<br />
den <strong>Stadt</strong>rand ziehen um in Wohnungen mit ausreichender Größe<br />
und privatem Freiraum leben zu können. Dadurch entstehen<br />
im <strong>Familien</strong>alltag häufig weite Wege zwischend der Wohnung<br />
und weiteren räumlichen Bezugsorten der Familie, welche häufig<br />
im <strong>Stadt</strong>zentrum und näherer Umgebung liegen. Alternativ entscheiden<br />
sich viele <strong>Familien</strong> dazu im <strong>Stadt</strong>zentrum zu leben um<br />
so ihren Alltag mit kurzen Wegen gestalten zu können, müssen<br />
da<strong>für</strong> aber meist auf privat oder gemeinschaftlich nutzbaren Freiraum<br />
und teilweise auch auf eine ausreichende Wohnungsgröße<br />
verzichten.<br />
Grundsätzlich hat sich in der empirischen Untersuchung gezeigt,<br />
dass die Gründe <strong>für</strong> die Alltagsorganisation und somit auch die<br />
Ursachen <strong>für</strong> Zeitkonflikte gesellschaftlich, infratrukturell/stadtpolitisch<br />
sowie privat bedingt sind.<br />
Auf gesellschaftliche und private Gründe <strong>für</strong> die Alltagsorganisation<br />
und Ursachen <strong>für</strong> Zeitkonflikte hat die <strong>zeitgerechte</strong> <strong>Stadt</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Familien</strong> keinen direkten Einfluss. Durch eine Anpassung der<br />
infrastrukturellen/stadtpolitischen Rahmenbdingungen kann die<br />
<strong>zeitgerechte</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>für</strong> <strong>Familien</strong> jedoch direkt Einfluss auf die Reduzierung<br />
von Zeitkonflikten und Zeitnot nehmen und auf Dauer<br />
möglicherweise auch zu einem gesellschaftlichen und privaten<br />
Umdenken beitragen.<br />
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