Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier
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keitsstrukturen der Erwerbsarbeit einbezogen waren, da sie ohne Arbeitsplatz gar keine<br />
Aufenthaltsgenehmigung bekamen, blieben ihnen <strong>politische</strong> Rechte lange Zeit vorenthalten,<br />
so dass ihr Status <strong>und</strong> ihre sozialen Rechte auch schon zu Zeiten des wohlfahrtsstaatlichen<br />
Kapitalismus prekäre Züge trugen. Heute dürften die Exklusionstendenzen der neuen<br />
<strong>Ungleichheit</strong>sverhältnisse aber auch bei denjenigen, die mittlerweile die Staatsbürgerschaft<br />
erworben haben, allein schon aufgr<strong>und</strong> ihres Status als ethnische <strong>und</strong> häufig auch religiöse<br />
Minderheit in der deutschen Gesellschaft verstärkt werden.<br />
Neben diesen exkludierenden <strong>und</strong> disqualifizierenden Zügen der neuen <strong>Ungleichheit</strong>sstruktur<br />
ist ihr oben bereits erwähnter fluider, von sozialstrukturell vorgegebenen <strong>und</strong> kollektiv<br />
geteilten Statussituationen gelöster Charakter von erheblicher Konsequenz. Gesellschaft als<br />
eine im nationalen Rahmen zusammengehaltene Vergemeinschaftungsform scheint zunehmend<br />
fiktional zu werden <strong>und</strong> von einer durch die Entgrenzung <strong>und</strong> Vervielfältigung marktwirtschaftlichen<br />
Wettbewerbs geprägte Konkurrenzgesellschaft ersetzt zu werden (Rosa 2006;<br />
Lessenich/Nullmeier 2006).<br />
Spezifischer unterscheidet sich der postfordistische vom klassischen Industriekapitalismus<br />
durch die Schwächung kollektiver Organisationen <strong>und</strong> die Stärkung individueller Verantwortung<br />
sowohl auf der Ebene der Arbeitsorganisation als auch für den beruflichen Werdegang<br />
insgesamt (Castel 2009: 25f.). Eine ganze Reihe von Soziologen macht diese neue Arbeitswelt<br />
auch für gravierende Veränderungen der Subjekte selbst verantwortlich. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
der Auflösung stabiler Organisation, der Bindung der Arbeitskräfte an die Unternehmen<br />
<strong>und</strong> deren sozialer Verantwortung spricht Zygmunt Bauman von einer "Mentalität<br />
der kurzen Dauer" (Bauman 2003: 176), Richard Sennett gar von der Zerstörung des Charakters<br />
durch eine erzwungene Mobilität <strong>und</strong> Flexibilität, die kontinuierliche Biographien<br />
unmöglich machten (Sennett 1998).<br />
Wie mehrere Studien der Milieuforschung zeigen, bilden sich in der neuen, durch Ausgrenzung<br />
charakterisierten <strong>Ungleichheit</strong>sstruktur verschiedene Subkulturen aus, die kulturell zwar<br />
nur noch wenig verbindet, zugleich jedoch das Gefühl eint, abgehängt zu werden <strong>und</strong> keine<br />
Chancen mehr auf einen Anschluss an die Mitte der Gesellschaft zu haben. Neben den Resten<br />
des traditionellen Arbeitermilieus finden sich hier autoritär orientierte Geringqualifizierte,<br />
Migrantenmilieus, aber auch „moderne“, hedonistisch an Freizeit, Unterhaltung <strong>und</strong> Körperkult<br />
orientierte Milieus (Ueltzhöffer/Flaig 1993; Vester u.a. 2001; Hradil 2006). Erfahrungen<br />
mit solidarischen Organisationsformen <strong>und</strong> gemeinsamem Handeln werden in diesen gesellschaftlichen<br />
Gruppen über den privaten Bereich hinaus kaum mehr gemacht. Frank Walter<br />
spricht in diesem Zusammenhang von einer „neuen Klasse“ „ … ohne Wahrnehmung eigener<br />
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