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Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

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keine Instanz, die Individuen eine bestimmte hierarchische Position zuweisen könnte. Daraus<br />

ergibt sich, dass <strong>Ungleichheit</strong>en „nur gerechtfertigt werden können, wenn sie von dem jeweiligen<br />

Funktionssystem selbst ausgehen“ (Luhmann 1995: 233). Inklusion regeln demnach die<br />

als Kommunikationszusammenhänge beschriebenen Teilsysteme, welche die Individuen mit<br />

ihrem jeweiligen binären Code (wahr/unwahr; recht/unrecht, etc.) adressieren (vgl. Nassehi<br />

2006: 50). Inklusion bedeutet also „Berücksichtigung oder Bezeichnung von Personen in<br />

Sozialsystemen“ (Stichweh 2000: 159).<br />

Mit dieser Sicht auf moderne Gesellschaften verband Luhmann ursprünglich den evolutionären<br />

Anspruch, es läge „in der Logik funktionaler Differenzierung, jedem Teilnehmer am<br />

gesellschaftlichen Leben Zugang zu allen Funktionen zu erschließen“ (Luhmann 1980: 168).<br />

Im Prinzip sollte in einer modernen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaft jeder rechtsfähig<br />

sein, an der Wirtschaft teilnehmen können, die Schule besuchen usw..<br />

„Und wenn jemand seine Chancen, an Inklusion teilzunehmen, nicht nutzt, wird ihm<br />

das individuell zugerechnet“ (Luhmann 1997: 625).<br />

Rudolf Stichweh betont noch im Jahr 2000, dass in einer entlang von Funktionen differenzierten<br />

Gesellschaft, jedenfalls theoretisch, „die Vollinklusion aller Gesellschaftsmitglieder in<br />

jedes der Funktionssysteme“ zu erwarten sei (Stichweh 2000: 162). 13<br />

Allerdings sind Individuen immer nur partiell, so weit sie eben vom spezifischen Code eines<br />

Teilsystems adressiert werden, in dieses inkludiert. Exklusion bezeichnet dann erst einmal nur<br />

die notwendige Kehrseite der Inklusion, nicht aber ein soziales Problem. Denn wo es um<br />

Rechtsfragen geht, zählt der religiöse Glaube nichts, die Teilnahme an Wahlen hängt nicht<br />

vom Einkommen ab, die Fälligkeit einer Zahlung nicht vom Bildungsstand. Exklusionen<br />

ermöglichen demnach überhaupt erst, dass ein Individuum - als Konsument, als Bürger oder<br />

qua welcher Adressierung auch immer - in verschiedene Teilsysteme inkludiert werden kann.<br />

Die Funktionssysteme können zwar nach eigenen Kriterien differenzieren <strong>und</strong> darüber<br />

entscheiden, wie weit es jemand bringt (ob er Recht bekommt, sein Wissen als wahr anerkannt<br />

wird etc.), sie können jedoch niemand gesellschaftlich exkludieren. Somit, meint<br />

Luhmann, „ist die Barbarei verschw<strong>und</strong>en“ (Luhmann 1999: 143). Damit scheint zugleich<br />

aber auch die systemtheoretische Unterscheidung von Inklusion <strong>und</strong> Exklusion untauglich für<br />

die <strong>Ungleichheit</strong>sforschung. Denn wenn ihr zufolge der überschuldete Kleinbauer in Indien<br />

ebenso ins Teilsystem Wirtschaft inkludiert ist wie der Investmentbanker in Frankfurt (beide<br />

13 So heißt es auch bei Luhmann über Individuen in funktional differenzierten Gesellschaften: „Sie müssen an<br />

allen Funktionssystemen teilnehmen können, je nachdem, in welchen Funktionsbereich <strong>und</strong> in unter welchem<br />

Code ihre Kommunikation eingebracht wird“ (Luhmann 1997: 625).<br />

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