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Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

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sozialen Sicherungssysteme geführt hatte. Während die ersten Nachkriegsjahrzehnte von der<br />

Erfahrung eines verallgemeinerten Massenkonsums, gesellschaftlichen Aufstiegs <strong>und</strong> sozialer<br />

Sicherheit geprägt waren, steht die internationale gesellschafts<strong>politische</strong> Diskussion heute im<br />

Zeichen von Begriffen wie „<strong>Neue</strong> Armut“ <strong>und</strong> „Prekariat“, „Exklusion“ <strong>und</strong> „Underclass“.<br />

Die modernen repräsentativen Demokratien, die auch in ihren westlichen Stammländern erst<br />

im Laufe des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts alle Bürger mit gleichen <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> sozialen<br />

Rechten einschlossen 2 , müssen damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte politisch mit einer<br />

länger anhaltenden Zunahme gesellschaftlicher <strong>Ungleichheit</strong> umgehen.<br />

Spätestens seit Tocqueville wird jedoch die Ausbreitung der <strong>politische</strong>n Demokratie in den<br />

Kontext eines unaufhaltsamen, historisch weit zurückreichenden Siegeszugs gesellschaftlicher<br />

Gleichheit gestellt. 3 Derzeit könnte es dagegen scheinen, als wäre, zeitgleich mit dem globalen<br />

Erfolg der <strong>politische</strong>n Demokratie durch den Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus,<br />

das Voranschreiten gesellschaftlicher Gleichheit erst einmal gestoppt oder sogar<br />

umgekehrt worden. Während jedoch in den Jahrzehnten der sukzessiven Verringerung der<br />

Unterschiede in Einkommen <strong>und</strong> Lebenschancen die weiter bestehenden <strong>Ungleichheit</strong>en ihren<br />

Ausdruck in dominanten <strong>politische</strong>n Konfliktlinien fanden, insbesondere in derjenigen<br />

zwischen Arbeit <strong>und</strong> Kapital, scheint dies unter den Bedingungen erneut zunehmender<br />

<strong>Ungleichheit</strong> immer weniger der Fall zu sein. Im Vergleich zur starken Repräsentation der<br />

materiellen Interessen <strong>und</strong> der gesellschaftlichen Perspektive der industriellen Lohnarbeit<br />

während der Hochzeiten der Parteiendemokratien in den 50er, 60er <strong>und</strong> 70er Jahren des<br />

vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts sind die von den neuen <strong>Ungleichheit</strong>sformen wie Dauerarbeitslosigkeit,<br />

prekärer Beschäftigung, <strong>Neue</strong>r Armut oder sozialräumlicher Segregation betroffenen<br />

Gruppen heute politisch wenig präsent. Obwohl gesellschaftswissenschaftlich breit<br />

diskutiert <strong>und</strong> publizistisch thematisiert, scheint es sich bei den genannten Phänomenen um<br />

<strong>Ungleichheit</strong>sformen zu handeln, die, bislang jedenfalls, weder zu einer Wiederbelebung der<br />

alten, noch zur Herausbildung neuer <strong>politische</strong>r Konfliktlinien führten. Ob die im Zusammenhang<br />

der Konflikte um die mit der sog. Hartz-Kommission verb<strong>und</strong>enen Reformen des<br />

Arbeitsmarkts <strong>und</strong> des Sozialstaates erfolgreiche Gründung der „Linken“ aus der im wesentlichen<br />

ostdeutschen PDS <strong>und</strong> linken westdeutschen Gruppen zur Herausbildung einer solchen<br />

Konfliktlinie führen wird, ist derzeit noch unklar.<br />

2 Dazu Marshall 1992.<br />

3 So formuliert Tocqueville in der Einleitung zum ersten Band seines Werks „Über die Demokratie in Amerika“:<br />

„Die stufenweise Entwicklung der Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen ist also ein von der Vorsehung<br />

gewolltes Ereignis, denn sie hat dessen wesentliche Merkmale: sie ist allgemein, sie ist beständig, <strong>und</strong> sie<br />

entzieht sich immer neu der menschlichen Einwirkung; alle Begebenheiten <strong>und</strong> alle Menschen dienen der<br />

Entwicklung der Gleichheit“ (Tocqueville 1835/1985: 19).<br />

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