05.07.2014 Aufrufe

Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

über die Überlegungen Manins hinausgehend, ob die Lösung der <strong>politische</strong>n Repräsentanten<br />

von gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>konflikten bzw. die bislang kaum beobachtbare Umsetzung der<br />

neuen Phänomene sozialer <strong>Ungleichheit</strong> in <strong>politische</strong> Alternativen, über einen Formwandel<br />

zur Publikumsdemokratie hinaus, eine Krise der repräsentativen Demokratie anzeigt.<br />

Jedenfalls liegt die Kehrseite einer größeren Unabhängigkeit der <strong>politische</strong>n Eliten von soziokulturellen<br />

Milieus in der Aufwertung einer marktförmigen, inhaltlich beliebigeren Konkurrenz<br />

um attraktive Themen, Kompetenzzuschreibungen <strong>und</strong> Images sowie nicht zuletzt um<br />

die Nähe zum herrschenden Zeitgeist, der in der Regel <strong>politische</strong>n Konfliktlinien nur mehr<br />

schwer zuordenbar scheint. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die öffentliche Thematisierung <strong>und</strong><br />

<strong>politische</strong> Dramatisierung der Perspektiven <strong>und</strong> Interessen gesellschaftlicher Verlierergruppen<br />

durch <strong>politische</strong> Parteien eher unwahrscheinlich. Franz Walter formuliert zugespitzt: „Es gab<br />

Zeiten, da wurden die Outcasts <strong>und</strong> Unterdrückten dieser Welt politisch umschwärmt <strong>und</strong><br />

literarisch mythologisiert. Das Prekariat des Postindustrialismus hingegen wurde <strong>und</strong> wird<br />

eher verachtet“ (Walter 2011: 18). Speziell für Deutschland sieht Serge Paugam darüber<br />

hinaus einen „starken kollektiven Widerstand gegen die offizielle Anerkennung der Armut“,<br />

den er mit dem durch Wirtschaftsw<strong>und</strong>er <strong>und</strong> ökonomischen Erfolg geprägten Selbstbild der<br />

b<strong>und</strong>esdeutschen Gesellschaft erklärt (Paugam 2008: 282).<br />

Aus der Sicht einer professionalisierten, auf den <strong>politische</strong>n Wettbewerb orientierten<br />

Kommunikationsstrategie bildet die Nähe zu gesellschaftlichen Verlierergruppen ein hohes<br />

Risiko. Mit dem Wandel der <strong>Ungleichheit</strong>sstrukturen <strong>und</strong> der Repräsentationsbeziehungen<br />

scheint sich die Politisierbarkeit sozialer Fragen im Rahmen der Parteiendemokratie gr<strong>und</strong>legend<br />

verschlechtert zu haben. Die Interessen der neuen, von Ausgrenzung <strong>und</strong> Prekarisierung<br />

betroffenen Armen verlieren ihre Konfliktfähigkeit deshalb womöglich nicht nur im Sinn<br />

ihrer kaum mehr vorhandenen Organisations- <strong>und</strong> Sanktionspotentiale, sondern darüber<br />

hinaus auch in dem Sinn, dass sie kaum mehr „issuetauglich“ sind: Von ihnen ausgehend lässt<br />

sich - u. U. trotz der Zunahme von Ausgrenzungs- <strong>und</strong> Armutserfahrungen - keine parteipolitisch<br />

erfolgversprechende Konfliktlinie mehr aufbauen. 11 Der Begriff der „schwachen Interessen“<br />

gewinnt damit eine neue Dimension. Er bezieht sich neben der Organisations- <strong>und</strong><br />

Konfliktfähigkeit im Sinne der klassischen Disparitätentheorie Offes (Offe 1972) auf die<br />

Issuetauglichkeit im <strong>politische</strong>n Wettbewerb.<br />

Ebene des offenen Wettbewerbs um die Macht Ausdruck verleiht, verschafft sie ihm einen symbolischen<br />

Ausgang, der die Drohung des Auseinanderbrechens abzuwenden vermag …“ (Lefort/Gauchet 1990: 91).<br />

11 In diesem Sinn fragt auch Paul Nolte, warum die Politik heute „überhaupt in der Öffentlichkeit ein so<br />

unappetitliches Thema wie soziale <strong>Ungleichheit</strong>“ ansprechen sollte (Nolte 2004: 39).<br />

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!