05.07.2014 Aufrufe

Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

auch individuellen gesellschaftlichen Voraussetzungen demokratischer <strong>politische</strong>r Partizipation.<br />

7<br />

Demgegenüber synthetisiert Bernard Manin in seinem bereits 1997 erschienen Buch „The<br />

Principles of Representative Government“ die Veränderungen der letzten Jahrzehnte unter der<br />

Perspektive ihrer Wirkung auf die Repräsentationsbeziehungen in den liberalen Demokratien<br />

entwickelter westlicher Länder. Dabei unterscheidet er drei Phasen in der Entwicklung der<br />

repräsentativen Demokratie: Den klassischen Parlamentarismus des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, die<br />

Parteiendemokratie, die das 20. Jahrh<strong>und</strong>ert prägte <strong>und</strong> schließlich die zur Zeit sich krisenhaft<br />

herausbildende Phase der Publikumsdemokratie bzw. "audience democracy" (Manin 1997:<br />

193-235). Obwohl Manin in den einzelnen Dimensionen des seinen drei Phasen zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />

Wandels eher holzschnittartig bleibt, macht ihn für unseren Zusammenhang interessant,<br />

dass er seine Idealtypen nach der jeweils dominierenden Art der <strong>politische</strong>n Repräsentation<br />

konstruiert.<br />

Das Zeitalter des klassischen Parlamentarismus war demnach gekennzeichnet durch die Wahl<br />

gesellschaftlich herausragender Persönlichkeiten, die in erster Linie Einzelwahlkreise vertraten.<br />

Gegenüber den erst in Entstehung begriffenen Parteien erfreuten sich die Parlamentarier<br />

großer Unabhängigkeit. Ihr Verhältnis zu den Wählern entsprach Edm<strong>und</strong> Burkes<br />

„Trusteeship“, d.h. die Abgeordneten entschieden weitgehend nach ihrem persönlichen Urteil.<br />

Im Parlament fanden dementsprechend echte, argumentativ geführte Debatten statt, in deren<br />

Verlauf sich Mehrheiten verändern konnten. Außerhalb des Parlaments existierte eine starke,<br />

unabhängige Öffentlichkeit, die, da es keine vermittelnden Massenparteien gab, unter<br />

Umständen auch gegen das Parlament zu mobilisieren war (vgl. Manin 1997: 202-206).<br />

Bis zum Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>ert hatten jedoch Parteien die Parlamente als Machtzentren in<br />

den Hintergr<strong>und</strong> gedrängt. Ausgehend von der Verallgemeinerung des Wahlrechts veränderten<br />

sich die Parteiensysteme <strong>und</strong> begannen die Klassenspaltung der Gesellschaft zu reflektieren.<br />

Die Kandidatenaufstellung wird nun von den Parteiorganisationen kontrolliert. Die<br />

Kandidaten einer Partei vertreten ein gemeinsames Programm <strong>und</strong> als Parlamentarier werden<br />

sie der Fraktionsdisziplin unterworfen. Die Parlamente verlieren ihren deliberativen Charakter<br />

<strong>und</strong> auch die Medienöffentlichkeit wird durch den Parteienkonflikt geprägt. (vgl. Manin 1997:<br />

206-218). Obwohl Manin die Entwicklung zur zweiten Phase, der Parteiendemokratie, aus<br />

<strong>politische</strong>n Veränderungen erklärt, lassen sie sich auch plausibel auf das Akkumulationsregime<br />

<strong>und</strong> die <strong>Ungleichheit</strong>sstrukturen des fordistischen Kapitalismus beziehen. Manin<br />

selbst stellt fest, der Pluralismus auf der <strong>politische</strong>n Ebene spiegele in der Parteiendemokratie<br />

7 Vgl. Crouch 2008 <strong>und</strong> in Hinsicht auf die zerstörte Demokratiefähigkeit der Individuen noch zugespitzter<br />

Blühdorn 2011.<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!