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Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

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aler <strong>Ungleichheit</strong> kann sich nun im Wettbewerb um Stimmungen <strong>und</strong> Stimmen als Nachteil<br />

erweisen. Dies ist besonders dann zu erwarten, wenn mit derartigen Werten vermeintlich<br />

angestaubte Vorstellungen (wie etwa die als „Herz-Jesu-Sozialismus“ diffamierte Orientierung<br />

an der katholischen Soziallehre) oder gar eine imageschädigende Nähe zu den Verlierergruppen<br />

der Gesellschaft verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Für die von den skizzierten neuen <strong>Ungleichheit</strong>sstrukturen Betroffenen erwächst daraus die<br />

Drohung einer doppelten Abkoppelung: erstens verlieren sie aufgr<strong>und</strong> ihrer marginalisierten<br />

Stellung in den gesellschaftlichen Kooperationsverhältnissen, der Entkollektivierung <strong>und</strong><br />

„negativen Individualisierung“ (Castel 2000a: 403) der <strong>Ungleichheit</strong> den Anschluss an die<br />

Konfliktlinie Kapital-Arbeit <strong>und</strong> können nicht mehr damit rechnen, dass ihre Interessen von<br />

den klassischen Organisationen <strong>und</strong> Parteien der Arbeiterbewegung vertreten werden. Und<br />

zweitens geht ihnen auf der symbolischen Ebene der <strong>politische</strong>n Repräsentation mit den von<br />

den traditionellen Milieus der großen Volksparteien vertretenen Werten eines solidarischen<br />

oder karitativ unterstützenden Umgangs mit <strong>Ungleichheit</strong> <strong>und</strong> Armut auch der Resonanzboden<br />

für die Formulierung ihrer Interessen verloren.<br />

Insbesondere der zweite Punkt verweist auf einen Zusammenhang, der über die mangelhafte<br />

Berücksichtigung schwacher Interessen hinaus das Funktionieren demokratischer <strong>politische</strong>r<br />

Repräsentation selbst zu gefährden droht. Denn <strong>politische</strong> Repräsentation lässt sich als einfacher<br />

Transport partikularer gesellschaftlicher Interessen in die Sphäre der Politik nicht<br />

adäquat verstehen. Politische Repräsentation bezieht Interessen auf <strong>und</strong> begründet sie mit<br />

widerstreitenden Interpretationen abstrakter, als allgemeingültig unterstellter Werte <strong>und</strong><br />

Prinzipien einer <strong>politische</strong>n Gemeinschaft. 9 Erst dadurch wird es möglich, Programme zu<br />

formulieren, die den Anspruch erheben können, gesamtgesellschaftliche Handlungsperspektiven<br />

zu bieten <strong>und</strong> diese dem Bürger zur Wahl zu stellen. In dem Maße, wie die diagnostizierte<br />

Schwächung gesellschaftlicher Großgruppen <strong>und</strong> ihrer Milieus zutrifft <strong>und</strong> vergleichsweise<br />

stabile Konfliktlinien erodieren, kann auch diese, auf der Ebene <strong>politische</strong>r Repräsentation zu<br />

erbringende Leistung in Gefahr geraten. Claude Lefort <strong>und</strong> Marcel Gauchet verstehen die<br />

repräsentative Demokratie aus dem spezifischen historischen Kontext der europäischen<br />

Geschichte als das Ergebnis der Übersetzung des Klassenkonflikts zwischen Arbeit <strong>und</strong><br />

Kapital in einen <strong>politische</strong>n Kampf um Macht (Lefort/Gauchet 1990). 10 Damit fragt sich dann,<br />

9 Dieser Aspekt <strong>politische</strong>r Repräsentation wird vor allen in der französischen Diskussion von Claude Lefort,<br />

Marcel Gauchet <strong>und</strong> Pierre Rosanvallon betont. Für einen Überblick dazu vgl. Weymans 2006.<br />

10 „Die demokratische Herrschaftsform begründet sich in dem anfänglichen Gestus, die Legitimität des Konflikts<br />

in der Gesellschaft anzuerkennen … Oder anders gesagt, die Demokratie kommt notwendigerweise in jenem<br />

Zeitalter auf, in dem der Klassenkampf für sich selbst identifizierbar wird. Doch indem sie dem Konflikt auf der<br />

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