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Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

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spricht von einer Transformation des Wettbewerbs vom Mittel „zum strukturell verfestigten<br />

Selbstzweck“ (Rosa 2006: 94) <strong>und</strong> meint damit, dass er immer weniger auf soziale Ziele oder<br />

definierte Leistungen ausgerichtet sei, sondern stattdessen nur noch am Erfolg gemessen<br />

werde. Dies führe zu einer beispiellosen Dynamisierung des Kampfes um Anerkennung <strong>und</strong><br />

zum Permanentwerden der Angst vor dem individuell zugerechneten Misserfolg (Rosa 2006:<br />

98). Lessenich/Nullmeier gehen davon aus, dass die gesellschaftlichen Wettbewerbssituationen<br />

derart bestimmend <strong>und</strong> die „Konkurrenzen <strong>und</strong> Marktlagen“ so fragmentiert sind, dass es<br />

zu keinerlei Einheitsbildung mehr kommen kann (Lessenich/Nullmeier 2006: 19).<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist nicht zu erwarten, dass die von Unsicherheit <strong>und</strong> drohendem<br />

Abstieg betroffenen Gruppen der gesellschaftlichen Mitte untereinander solidarisieren oder<br />

gar eine gemeinsame Perspektive mit den bereits von Armut <strong>und</strong> Exklusion Betroffenen<br />

entwickelten. Die dichotomische Unterscheidung zwischen Gewinnern <strong>und</strong> Verlierern setzt<br />

für die Individuen vielmehr starke Distanzierungsanreize.<br />

Noch gr<strong>und</strong>sätzlicher aber gilt: sollten die hier knapp skizzierten kultursoziologischen Diagnosen<br />

zutreffen - <strong>und</strong> nicht nur bestehende Tendenzen dramatisieren - so käme dies einer<br />

Auflösung des Selbstbildes der Gesellschaft als Kooperationszusammenhang gleich, wie es<br />

etwa noch der gerechtigkeitstheoretischen Begründung des Sozialstaates bei Rawls zugr<strong>und</strong>e<br />

liegt. Die „intuitive Vorstellung“, von der dieser bei der Begründung seiner Gerechtigkeitsgr<strong>und</strong>sätze<br />

ausgeht ist die,<br />

„dass jedermanns Wohlergehen von der Zusammenarbeit abhängt, ohne die niemand<br />

ein befriedigendes Leben hätte, <strong>und</strong> dass daher die Verteilung der Güter jeden, auch<br />

den weniger Begünstigten, geneigt machen sollte, bereitwillig mitzuarbeiten“ (Rawls<br />

1975: 32).<br />

Diese „Intuition“ gehört offenk<strong>und</strong>ig zu einer durch Reziprozität <strong>und</strong> gemeinsame Ziele<br />

charakterisierten Kooperationsgesellschaft, nicht aber zu einer Konkurrenzgesellschaft, in der<br />

Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg dem Markt überlassen bleiben <strong>und</strong> in der die entscheidende Trennung<br />

zwischen „Gewinnern“ <strong>und</strong> „Verlierern“ verläuft.<br />

Betrachtet man den gerechtigkeitstheoretischen Diskurs der vergangenen Jahre, so sind deutliche<br />

Veränderungen zu beobachten, die das kooperative Moment in der Begründung von<br />

Gerechtigkeitsnormen zurückdrängen. Als Anzeichen dafür lässt sich der Bedeutungsverlust<br />

der Orientierung auf Bedarfs- <strong>und</strong> Leistungsgerechtigkeit zugunsten einer marktkompatibleren<br />

„Teilhabegerechtigkeit“ werten. Der Begriff der Teilhabegerechtigkeit stammt ursprünglich<br />

aus dem Kontext sozialer Bewegungen <strong>und</strong> Initiativen. Er zielt darauf, der zunehmenden<br />

Heterogenität sozialer <strong>Ungleichheit</strong>en <strong>und</strong> Benachteiligungen durch die Formulierung eines<br />

Inklusionsanspruchs gerecht zu werden. Jedes Individuum soll in die Lage versetzt werden,<br />

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