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Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

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der Individuen ausgehende Kapitalismuskritik adäquat erfasst werden können, sei dahingestellt<br />

(Boltanski/Chiapello 2005).<br />

Bereits Ende der 70er Jahre jedoch geriet der hier nur grob umrissene fordistische <strong>und</strong> wohlfahrtsstaatliche<br />

Kapitalismus in eine Krise. Auch hier brauchen uns die möglichen Ursachen<br />

<strong>und</strong> die genaueren Konzeptualisierungen, mit denen diese Veränderungen erfasst werden,<br />

nicht im Einzelnen zu interessieren. Ob durch die Verteuerung fossiler Energien erzwungen<br />

oder durch technischen Fortschritt induziert, ob als Strategie der Kapitalseite, als Reaktion auf<br />

die hohe Staatsverschuldung oder in erster Linie als Folge der Internationalisierung der<br />

Märkte - die makroökonomische Regulierung, die korporatistische Einbindung der Arbeiterorganisationen<br />

<strong>und</strong> der Ausbau des Sozialstaates galten nun als Entwicklungshindernisse <strong>und</strong><br />

wurden abgebaut zugunsten einer ökonomischen Steuerung durch die Kapitalmärkte, der<br />

Deregulierung der Arbeitsbeziehungen sowie kostensparender Reformen des Sozialstaates.<br />

Parallel dazu beschleunigte sich in entwickelten westlichen Ländern der Bedeutungsverlust<br />

der Industriearbeit gegenüber dem Dienstleistungssektor. 4<br />

Erinnert sei daran, dass die kritische Sozialwissenschaft die damit einhergehende Erosion<br />

gesellschaftlicher Großgruppen <strong>und</strong> ihrer traditionalen, gemeinschaftlich geprägten Lebensstile<br />

zunächst positiv als Individualisierungsprozesse bewertete, die gegenüber den starren<br />

Regelungen <strong>und</strong> festen Zugehörigkeiten der alten Industriegesellschaft die Selbstverwirklichungschancen<br />

der Menschen erhöhen sollten. Ulrich Beck glaubte gar die „`Wehen´ einer<br />

neuen Handlungsgesellschaft, Selbstgestaltungsgesellschaft“ beobachten zu können (Beck<br />

1993: 162).<br />

Dies hat sich gr<strong>und</strong>legend geändert. Heute dominiert die Befürchtung, der deregulierte, weitgehend<br />

den Marktkräften <strong>und</strong> ihrem Veränderungsdruck überlassene Kapitalismus führe zu<br />

einer in letzter Instanz selbstzerstörerischen Entstabilisierung <strong>und</strong> Desintegration der Gesellschaft.<br />

Autoren wie Richard Sennett, Zygmunt Bauman <strong>und</strong> Robert Castel kontrastieren den<br />

früheren, noch durch stabile Organisation, institutionelle Verlässlichkeit <strong>und</strong> Sicherung der<br />

Lebensperspektive geprägten Typ des Kapitalismus mit einem deregulierten, Flexibilität <strong>und</strong><br />

Mobilität erzwingenden <strong>und</strong> dadurch soziale Bindungen <strong>und</strong> Sicherheiten auflösenden<br />

Typus 5 . An die Stelle materiellen Forschritts, kollektiv erkämpfter sozialer Sicherheit sowie<br />

gesellschaftlicher Integration <strong>und</strong> <strong>politische</strong>r Partizipation tritt damit die Erfahrung materieller<br />

Unsicherheit, individueller Anpassungszwänge <strong>und</strong> einer deutlicheren Spaltung der Gesellschaft<br />

in Gewinner <strong>und</strong> Verlierer.<br />

4 Für Deutschland ist diese Entwicklung genauer belegt bei Geißler 2006: 166.<br />

5 Zusammenfassend dazu etwa Peter 2009.<br />

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