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Neue Ungleichheit und politische Repräsentation - Universität Trier

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sationsmitgliedschaften“ auflösen <strong>und</strong> Exklusionen zum Normalfall für Organisationsmitgliedschaften<br />

werden (Nassehi 2006: 63f.). Damit ist wohl gemeint, dass durch die Verschiebungen<br />

im Verhältnis zwischen Ökonomie <strong>und</strong> Politik im deregulierten Finanzmarktkapitalismus<br />

die typisch industriegesellschaftlichen Organisationen ihre Inklusionsfähigkeit einbüßen<br />

<strong>und</strong> individuelle Erfahrungen der Exklusion (aus Betrieb, Gewerkschaft, Rentenversicherung,<br />

Vereinen etc.) in unterprivilegierten Lebenslagen kumulieren können. Da die Individuen<br />

dennoch in „vollinklusiven Verhältnissen einer modernen Gesellschaft leben“, können sie sich<br />

nicht mehr dadurch entlasten, dass sie ihre Exklusionserfahrungen der Lage einer bestimmten<br />

Gruppe zuordnen, sondern müssen sie in ihre individuelle Biographie einordnen. Mit der<br />

Zurechnung von Exklusionserfahrungen ist ein interessanter Aspekt der neuen <strong>Ungleichheit</strong><br />

angesprochen, auf den noch zurückzukommen sein wird. Dennoch stellt sich an diesem Punkt<br />

die Frage, ob es zur Erkenntnis von Exklusionen aus Organisationsarrangements einer bis zur<br />

Selbstwidersprüchlichkeit modifizierten Systemtheorie bedarf. 14 Darüber hinaus ist Martin<br />

Kronauer recht zu geben, wenn er feststellt, dass auch die modifizierten Theorien funktionaler<br />

Differenzierung nicht in der Lage sind, die Zentralität des Lohnarbeitsverhältnisses für<br />

<strong>Ungleichheit</strong>s- <strong>und</strong> Exklusionsphänomene zu begründen (Kronauer 2010: 243).<br />

b) Der Exklusionsbegriff der <strong>Ungleichheit</strong>sforschung<br />

Eine Abgrenzung gegenüber dem systemtheoretischen Bezugsrahmen fällt der soziologischen<br />

<strong>Ungleichheit</strong>sforschung insofern nicht schwer, als der Ursprung ihres Exklusionsbegriffs in<br />

der bereits in den 80er Jahren einsetzenden französischen Debatte über die Gruppen der sogenannten<br />

„exclus“ liegt. Diese Debatte setzt ohne Bezug zur funktionalistischen Systemtheorie<br />

an den sich für bestimmte Gruppen wie Jugendliche, Ungelernte <strong>und</strong> Migranten zuspitzenden<br />

<strong>und</strong> verfestigenden Arbeitsmarktproblemen an (Kronauer 2002: 38-51). Nach Kronauer<br />

zeichnet sich die französische Debatte dabei von Beginn an durch die Berücksichtigung von<br />

zwei Dimensionen des Exklusionsbegriffes aus: den Ausschluss am Arbeitsmarkt <strong>und</strong> die<br />

Schwächung sozialer Einbindung. Dabei soll Exklusion in ihrer ersten Bedeutung nicht nur<br />

Arbeitslosigkeit im engen Sinn erfassen, sondern auch die Formen ungesicherter, befristeter<br />

oder zeitweise unterbrochener Beschäftigung. In der zweiten, auf Sozialbeziehungen gerichteten<br />

Bedeutung, bezieht sich der Begriff auf die Auflösung sozialer Nahbeziehungen, die<br />

Gefährdung der durch sie vermittelten personalen Identität sowie den fehlenden Zugang zu<br />

gesellschaftlichen Institutionen (Kronauer 2002: 43f.).<br />

14<br />

Ausführlicher zu Nasssehis Versuch, das „Problem der Kollektivität“ in die Theorie funktionaler<br />

Differenzierung zu integrieren vgl. Brodocz 2007.<br />

23

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