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Einfach Freunde

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104/189<br />

»Der gelbe und der blaue Kittel neben dem Pfosten, sofort<br />

auseinander!«<br />

Im Gefängnis schallten überall Stimmen, die ganze Zeit. Dabei waren<br />

die Zellen schalldicht isoliert: Der Nachbar musste den Ton des Fernsehers<br />

schon voll aufdrehen, um die anderen zu nerven. Komischerweise drangen<br />

die Schreie der Männer durch alles hindurch. Ich sagte, dass die Aufseher<br />

wie Mamas waren und die Typen einander respektierten, weil ich nichts anderes<br />

gesehen habe. Aber gehört habe ich.<br />

Ich mag die Geräusche von Beaugrenelle, die Kids, die ihre Sohlen über den<br />

Asphalt schleifen, und die Concierge, die die Kippen wegfegt. Frrrt, frrrt …<br />

Ich mag die Geräusche von Paris, die knatternden Motorroller, die Metro,<br />

die an der Bastille aus dem Untergrund schießt, die Warnpfiffe der Schwarzhändler<br />

und sogar die heulenden Sirenen der Polizeiautos. Bei Philippe<br />

Pozzo di Borgo mag ich die Stille. Das Apartment geht auf einen Garten<br />

hinaus, der von der Straße nicht zu erahnen ist. Ich hatte nicht einmal<br />

gewusst, dass es so was gibt, einfach so, mitten in Paris. Nach seinem Kaffee<br />

betätigt er mit dem Kinn den Mechanismus und fährt sein elektrisches<br />

Wägelchen ans Glasfenster, wo er sich eine Stunde nicht mehr vom Fleck<br />

rührt. Er liest. Und ich entdecke das für einen gebildeten Tetraplegiker unentbehrliche<br />

Zubehör: den Leseständer. Man klemmt das Buch fest – ein<br />

Ziegelstein von tausend Seiten, ganz ohne Fotos, in winzigen Buchstaben<br />

gedruckt, eine wahre Selbstverteidigungswaffe –, ein Stab aus Plexiglas<br />

blättert um, wenn Monsieur Pozzo es mit einer Kinnbewegung befiehlt. Da<br />

zu sein ist Teil meines Jobs. Kein Laut ist zu hören, ich drück mich in die<br />

Couch, schlafe.<br />

»Abdel? Hallo, Abdel!«<br />

Ich schlage ein Auge auf, strecke mich.<br />

»Ist das Bett oben nicht bequem?«<br />

»Doch, doch, aber ich hab gestern meine Kumpels getroffen, also ruh<br />

ich mich ein bisschen aus …«<br />

»Tut mir leid, Sie zu stören, aber das Gerät hat zwei Seiten auf einmal<br />

umgeschlagen.«

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