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Einfach Freunde

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»Und der Typ, der bewegt sich kein bisschen?<br />

»Nur mit dem Kopf. Der Rest ist tot. Dead. Muerto.«<br />

»Aber sein Herz, das schlägt doch wenigstens?«<br />

»Noch nicht mal da bin ich mir sicher. Eigentlich weiß ich nicht, wie<br />

das geht, ein Tetraplegiker … Na ja, doch, ich weiß, das geht gar nicht!«<br />

Ich erinnere mich kaum an die ersten Tage in der Avenue Léopold II, wahrscheinlich<br />

weil ich nur unregelmäßig da war. Ich versuchte nicht, zu gefallen,<br />

schon gar nicht, mich unentbehrlich zu machen. Keine Sekunde<br />

habe ich mich zurückgelehnt, um über meine Situation nachzudenken oder<br />

darüber, was mir die Arbeit mit dem drolligen behinderten Mann in diesem<br />

Haus bringen könnte, oder was ich selber dieser Familie bringen könnte.<br />

Vielleicht hatte die Zeit wie bei jedem andern auch bei mir ihre Spuren hinterlassen,<br />

doch das war mir nicht bewusst. Ich hatte schon ziemlich unterschiedliche<br />

Erfahrungen gesammelt und zwangsläufig ein paar Lehren aus<br />

ihnen gezogen, aber ich habe nie etwas davon in Worte gefasst, weder laut<br />

noch still für mich im Kopf. Sogar im Gefängnis, wo die Tage lang waren<br />

und sich eigentlich gut zum Nachdenken geeignet hätten, stumpfte ich<br />

mich mit Fernsehen und Radiohören ab. Angst vor dem Morgen kannte ich<br />

nicht. In Fleury, das wusste ich, glich die nahe Zukunft der Gegenwart.<br />

Draußen gab es auch nicht viel zu befürchten. Keinerlei Gefahr in Sicht. Ich<br />

hatte so großes Vertrauen in mich, dass ich mich für unbesiegbar hielt. Ich<br />

glaubte mich nicht unbesiegbar, nein, ich wusste, dass ich es war!<br />

Für den Transport vom Gericht auf der Île de la Cité nach Fleury-Mérogis<br />

hatten sie mich in einen Zellenwagen verfrachtet. Das ist ein Kleinlaster,<br />

der hinten mit zwei engen Kabinenreihen ausgestattet ist. Ein einziger<br />

Häftling pro Kabine, unmöglich, mehr davon hineinzupacken. Man kann<br />

darin stehen oder sich auf ein eingeklemmtes Holzbrett setzen. Die Handschellen<br />

bleiben dran. Das Fenster in der Tür ist vergittert. Man blickt nicht<br />

raus auf die Landschaft: Vor sich hat man dieses Drahtgitter, dann kommt

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