Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
107/189<br />
»Und der Typ, der bewegt sich kein bisschen?<br />
»Nur mit dem Kopf. Der Rest ist tot. Dead. Muerto.«<br />
»Aber sein Herz, das schlägt doch wenigstens?«<br />
»Noch nicht mal da bin ich mir sicher. Eigentlich weiß ich nicht, wie<br />
das geht, ein Tetraplegiker … Na ja, doch, ich weiß, das geht gar nicht!«<br />
Ich erinnere mich kaum an die ersten Tage in der Avenue Léopold II, wahrscheinlich<br />
weil ich nur unregelmäßig da war. Ich versuchte nicht, zu gefallen,<br />
schon gar nicht, mich unentbehrlich zu machen. Keine Sekunde<br />
habe ich mich zurückgelehnt, um über meine Situation nachzudenken oder<br />
darüber, was mir die Arbeit mit dem drolligen behinderten Mann in diesem<br />
Haus bringen könnte, oder was ich selber dieser Familie bringen könnte.<br />
Vielleicht hatte die Zeit wie bei jedem andern auch bei mir ihre Spuren hinterlassen,<br />
doch das war mir nicht bewusst. Ich hatte schon ziemlich unterschiedliche<br />
Erfahrungen gesammelt und zwangsläufig ein paar Lehren aus<br />
ihnen gezogen, aber ich habe nie etwas davon in Worte gefasst, weder laut<br />
noch still für mich im Kopf. Sogar im Gefängnis, wo die Tage lang waren<br />
und sich eigentlich gut zum Nachdenken geeignet hätten, stumpfte ich<br />
mich mit Fernsehen und Radiohören ab. Angst vor dem Morgen kannte ich<br />
nicht. In Fleury, das wusste ich, glich die nahe Zukunft der Gegenwart.<br />
Draußen gab es auch nicht viel zu befürchten. Keinerlei Gefahr in Sicht. Ich<br />
hatte so großes Vertrauen in mich, dass ich mich für unbesiegbar hielt. Ich<br />
glaubte mich nicht unbesiegbar, nein, ich wusste, dass ich es war!<br />
Für den Transport vom Gericht auf der Île de la Cité nach Fleury-Mérogis<br />
hatten sie mich in einen Zellenwagen verfrachtet. Das ist ein Kleinlaster,<br />
der hinten mit zwei engen Kabinenreihen ausgestattet ist. Ein einziger<br />
Häftling pro Kabine, unmöglich, mehr davon hineinzupacken. Man kann<br />
darin stehen oder sich auf ein eingeklemmtes Holzbrett setzen. Die Handschellen<br />
bleiben dran. Das Fenster in der Tür ist vergittert. Man blickt nicht<br />
raus auf die Landschaft: Vor sich hat man dieses Drahtgitter, dann kommt