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die für die Schwerverbrecher zuständig sind. Was meine Eltern seit Jahren<br />
im Stillen befürchtet haben, scheu und hilflos, ist womöglich eingetroffen.<br />
»Abdel Yamine Sellou, du wurdest mit Hilfe der Überwachungskameras<br />
an der Place Carrée wiedererkannt, du warst im dritten Untergeschoss<br />
des Forum des Halles, als dort ein Mord begangen wurde, in der Nacht vom<br />
Blabla, blablabla …«<br />
Es ist zum Schnarchen. Meine Eltern starren dem Inspektor auf die<br />
Lippen, um ihn besser zu verstehen. Beim Wort »Mord« springt meine<br />
Mutter auf.<br />
»Keine Angst, Mama, ich war’s nicht, ich habe nichts getan! Ich war<br />
bloß zur falschen Zeit am falschen Ort.«<br />
Der Polizist ist auf meiner Seite.<br />
»Madame Sellou, ich befrage Ihren Sohn als Zeugen, er steht nicht<br />
unter Mordverdacht, hören Sie?«<br />
Sie nickt und nimmt beruhigt wieder Platz. Was ihr und meinem Vater<br />
in diesem Moment durch den Kopf geht, weiß ich nicht und werde es nie<br />
erfahren. Sie schweigen. Auch später, als wir zu dritt den berüchtigten Quai<br />
des Orfèvres verlassen, bleiben sie still. Erst kurz vor Beaugrenelle versucht<br />
mein Vater es kurz mit einer Gardinenpredigt, aber meine Mutter wird ihm<br />
den Mund verbieten, damit ich nicht gleich wieder verschwinde.<br />
Doch zuerst liefere ich dem Inspektor meine Version: Die Typen von Les<br />
Halles hatte ich nie zuvor gesehen, kannte deren Namen nicht, würde sie<br />
nie im Leben wiedererkennen. Damit ist das Gespräch aber noch nicht<br />
beendet. Der Polizist stellt mir persönliche Fragen, über meinen Alltag,<br />
meine Kumpels vom Châtelet, die eigentlich keine sind. Pro forma hält er<br />
mir einen kleinen Vortrag. Entweder gehört das zu den Pflichten, für die er<br />
bezahlt wird, oder er will sein Gewissen beruhigen. Muss echt frustrierend<br />
sein, wenn man mit seiner Arbeit so wenig bewirkt …<br />
»Abdel Yamine, deine Eltern haben ein geringes Einkommen, also<br />
bekommst du staatliche Ausbildungsförderung, bleibst dem Unterricht<br />
aber fern. Findest du das richtig?«<br />
»Pfft …«