Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
9/189<br />
Pozzo und ich wirklich gemacht. Aber das ist nicht mal ein Bruchteil von<br />
dem, was wir gemeinsam erlebt haben. Ich habe nicht viel für ihn getan,<br />
jedenfalls weniger als er für mich. Ich habe seinen Rollstuhl geschoben, ihn<br />
begleitet, soweit möglich seinen Schmerz gelindert, ich war für ihn da.<br />
Ich war noch nie einem so reichen Mann begegnet. Er stammte aus<br />
einem alten Adelsgeschlecht und hatte es in seinem Leben auch selbst zu<br />
was gebracht: Er hatte mehrere Universitätsabschlüsse, war Geschäftsführer<br />
des Champagner-Imperiums Pommery. Ich habe von unserer Bekanntschaft<br />
profitiert. Er hat mein Leben verändert, nicht ich seins, oder höchstens<br />
ein bisschen. Der Film hat die Wahrheit beschönigt, um die Leute<br />
zum Träumen zu bringen.<br />
Ich sag’s lieber gleich: Ich habe kaum Ähnlichkeit mit dem Kerl im Film.<br />
Ich bin klein, Araber, nicht gerade zartbesaitet. Früher habe ich eine Menge<br />
hässliche Dinge getan, die ich gar nicht rechtfertigen will. Aber jetzt kann<br />
ich davon erzählen: Sie sind verjährt. Ich wurde mit den Unberührbaren<br />
verglichen, aber mit den echten Parias, den Unberührbaren in Indien, die<br />
ein Leben lang arm und ausgeschlossen bleiben, habe ich nichts gemein.<br />
Wenn ich einer Kaste angehöre, dann ist es die der Unbeherrschbaren, und<br />
ich bin eindeutig ihr Anführer. Das ist meine Persönlichkeit: Ich bin eigensinnig,<br />
sträube mich gegen jede Form von Disziplin, Vorschrift und<br />
Moral. Ich will mich nicht rechtfertigen, aber ich will mich auch nicht besser<br />
darstellen. Man kann sich schließlich auch ändern. Dafür bin ich der beste<br />
Beweis …<br />
Kürzlich bin ich über den Pont Neuf gegangen, das Wetter war ungefähr<br />
so wie damals an dem Tag, als mir die zwei Polizisten nachhetzten. Es<br />
nieselte, und die penetranten Regentropfen fielen auf meinen kahlen<br />
Schädel, während der kühle Wind durch meine Jacke drang. Wie schön mir<br />
diese zweiteilige Brücke jetzt vorkam, die die Île de la Cité mit den beiden<br />
Stadtufern verbindet. Ich war von ihren Ausmaßen beeindruckt, sie ist gut<br />
20 Meter breit, hat bequeme Gehwege und balkonartige Vorsprünge über