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Einfach Freunde

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der Zukunft hatten wir überhaupt keine Vorstellung, sie war für uns kein<br />

Thema, wir verschwendeten keinen Gedanken daran, weder auf die<br />

Schläge, die wir austeilten, noch auf die, die wir noch einstecken würden.<br />

Uns war das alles egal.<br />

»Abdel Yamine, Abdel Ghany, kommt mal her. Ihr habt einen Brief aus Algerien<br />

bekommen.«<br />

Wir machten uns nicht mal die Mühe, Amina zu antworten, wie<br />

schnuppe uns das war. Der Brief blieb so lange auf dem Heizkörper im Flur<br />

liegen, bis Belkacem ihn fand und öffnete. Nach der Lektüre fasste er ihn<br />

kurz und stockend für uns zusammen.<br />

»Er ist von eurer Mutter, sie fragt, ob es in der Schule klappt, ob ihr<br />

<strong>Freunde</strong> habt.«<br />

Ich prustete vor Lachen.<br />

»Ob ich <strong>Freunde</strong> habe? Was glaubst du denn, Papa?«<br />

In die Schule zu gehen war Pflicht, und manchmal hielten wir uns daran.<br />

Kamen zu spät, schwatzten laut im Unterricht, bedienten uns ungeniert aus<br />

Jackentaschen, Federmäppchen und Schulranzen. Wir vermöbelten unsere<br />

Mitschüler, einfach so, zum Spaß. Alles war für einen Lacher gut. Die Angst<br />

im Gesicht der anderen stachelte uns an wie der Anblick einer flüchtenden<br />

Gazelle den Löwen. Eine leichte Beute hätte uns gelangweilt. Es machte uns<br />

viel mehr Spaß, unser Opfer eine Zeitlang im Ungewissen zu lassen, ihm<br />

aufzulauern, es zu bedrohen, um Gnade winseln zu lassen und in Sicherheit<br />

zu wiegen, bevor wir endlich zuschlugen … Wir hatten keine Seele.<br />

Ich habe einen Hamster geerbt. Eine Siebtklässlerin aus meiner neuen<br />

Schule hat ihn mir vermacht (aber nur, weil ihn sonst keiner haben wollte).<br />

Die Ärmste, da hat sie ihr ganzes Taschengeld für einen Spielkameraden<br />

ausgegeben, und dann traut sie sich nicht, ihn mit nach Hause zu<br />

nehmen …

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