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Er ist fast eins neunzig groß, wiegt schätzungsweise hundert Kilo, ich<br />
reiche ihm gerade mal bis zur Schulter. Ich schlage mit der Faust auf die<br />
Kühlerhaube. Eine Delle entsteht, genau auf der Höhe des Kühlers. Er beginnt<br />
mich zu beschimpfen. Ich werde sauer.<br />
Einige Minuten später hält mir Monsieur Pozzo eine seiner typischen<br />
Mini-Moralpredigten.<br />
»Abdel, das hättest du nicht tun sollen …«<br />
Es stimmt, denn ich finde mich bald vor dem Richter wieder. Der Typ hat<br />
Klage eingereicht wegen Körperverletzung, hat sogar eine ärztliche Bescheinigung<br />
vorgelegt, die ihm acht Tage Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Ich<br />
habe nicht viel Mühe, den Richter zu überzeugen, dass ein kleiner Bursche<br />
wie ich, die Hilfskraft eines Tetraplegikers, einem solchen Koloss überhaupt<br />
keine Tracht Prügel verpassen kann. Freispruch. Wer ist der Beste?<br />
Vielleicht doch nicht ich. Es kommt vor, dass mir Monsieur Pozzo aus der<br />
Hand rutscht, wenn ich ihn trage. Oder dass ich von seinem Gewicht mitgezogen<br />
werde und nicht mehr hochkomme. Oder er sich die Stirn anschlägt.<br />
Ich sollte besser sagen: Ich schlage ihm die Stirn an. Es ist allein<br />
meine Schuld. In Windeseile entsteht eine Beule, als würde unter seiner<br />
Haut im Zeitraffer ein Ei wachsen. Genau wie auf dem Kopf des Katers<br />
Sylvester, wenn Speedy Gonzales ihm die Bratpfanne über den Schädel<br />
zieht! Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Ich hole schnell einen<br />
Spiegel, er muss das sehen, bevor es wieder weg ist. An manchen Tagen<br />
lacht er mit mir. An anderen überhaupt nicht. Dann sagt er:<br />
»Ich habe es satt, ich habe es satt, beschädigt zu sein …«<br />
Manchmal hat Monsieur Pozzo es wirklich satt. Bei seinen Vorträgen<br />
vergisst er nie, von der Entmutigung zu sprechen, der man nie, nie<br />
nachgeben darf. Er kann stolz auf mich sein: Abgesehen von seinem Körper,<br />
den ich manchmal nicht richtig gut trage, lasse ich nie etwas fallen.