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Ich sehe diesen anderen Typen wieder vor mir, einen Franzosen, zerstört<br />
vom Alkohol und gezeichnet von der Last seines Versagens. Er wohnte<br />
zusammen mit seiner Frau, ebenfalls eine Säuferin, im Treppenhaus<br />
nebenan. Als sie ihn für einen anderen verließ, stürzte er sich aus dem Fenster.<br />
Bloß, dass er im ersten Stock wohnte … Er brach sich sämtliche<br />
Knochen, blieb auf dem Rücken liegen, ein Arm irgendwie unter dem Nacken<br />
gequetscht, ein Bein auf Taillenhöhe, ein Ellbogen in die Rippen gebohrt.<br />
Als die Feuerwehrleute eintrafen, wussten sie nicht, wo sie diesen ausgerenkten<br />
Hampelmann anpacken sollten. Sie breiteten eine Rettungsdecke<br />
über ihm aus, eine schöne goldene Folie. Der Arme funkelte wie ein<br />
Stern, als er starb.<br />
Noch eine Geschichte fällt mir ein, über die meine Kumpels und ich<br />
furchtbar lachen mussten, obwohl wir sie furchtbar eklig fanden: Leila, eine<br />
stark übergewichtige Frau, die gar nicht mehr aus dem Haus ging, sprang<br />
aus dem sechsten Stock. Ihr Körper explodierte auf dem Asphalt mit einem<br />
gewaltigen Platsch, wie eine überreife Tomate. Und wieder steckte eine<br />
Liebesgeschichte dahinter: Ihr Kerl hatte sich in der gemeinsamen<br />
Wohnung mit einer anderen Frau zusammengetan. Gegen Ende des darauffolgenden<br />
Sommers wurde er dann halb verwest in seinem Bett aufgefunden:<br />
Er litt an Krebs im Endstadium, während seine neue Herzensdame<br />
sich in den Urlaub verabschiedete. Danach ließ sie die Zweizimmerwohnung<br />
von Profis putzen, sie lebt immer noch dort.<br />
Was für ein Pech, wenn ich es recht bedenke: Ausgerechnet ich, der<br />
sonst ständig unterwegs war und mich höchstens einmal alle zehn Tage bei<br />
meinen Eltern zum Essen blicken ließ, war jedes Mal dabei, wenn ein Nachbar<br />
Harakiri machte. Und jedes Mal suchte ich schleunigst das Weite. Die<br />
Polizei war nämlich immer gleich zur Stelle, um die Ermittlungen einzuleiten.<br />
Auch wenn ich nie genau wusste, weshalb sie nun schon wieder<br />
hinter mir her waren, wusste ich eins genau: dass ich ihnen lieber aus dem<br />
Weg gehen sollte.