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Einfach Freunde

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heiß, aber noch nicht heiß genug. Wir schalten die Klimaanlage nur hin und<br />

wieder kurz ein. Niemand beklagt sich. Tetraplegiker frieren immer. Man<br />

begräbt sie unter Decken, Mützen, Wollsachen, aber es reicht nie. In Kerpape<br />

habe ich es mit eigenen Augen gesehen. Monsieur Pozzo fährt dort jeden<br />

Sommer zur Reha hin, um, wie er es nennt, seine jährliche Wartung<br />

vorzunehmen. Bei den ersten Sonnenstrahlen reihen sich die Rollstühle der<br />

Tetraplegiker am Fenster auf, alle nach Süden gerichtet, und rühren sich<br />

nicht mehr vom Fleck. Im Auto, vor den Kindern, reißt sich Philippe Pozzo<br />

di Borgo zusammen. Ich weiß, dass er noch immer um seine Frau trauert,<br />

dass er uns alle ein bisschen hasst, weil wir noch immer da sind und sie<br />

nicht mehr. Wir schwitzen, unsere Gerüche vermischen sich, aber wenigstens<br />

ist ihm nicht kalt.<br />

Wir reißen die Kilometer herunter, ohne die erlaubte Höchstgeschwindigkeit<br />

zu überschreiten. Einer nach dem andern döst ein, ich<br />

halte stand. Céline öffnet die Augen und streckt sich.<br />

»Ach seht mal, wir sind in Montélimar … Wir könnten kurz anhalten<br />

und Nougat kaufen.«<br />

Ich brumme, dass wir nie ankommen werden, wenn wir bei jeder regionalen<br />

Spezialität anhalten …<br />

Sie sagt nichts, ich glaube, sie ist ein wenig eingeschnappt. Und dann:<br />

»Abdel, ist das normal, dieser Rauch?«<br />

Ich schaue auf beide Seiten der Autobahn, nichts.<br />

»Hast du einen Waldbrand gesehen?«<br />

»Nein, ich meine den Rauch, der aus der Kühlerhaube kommt.<br />

Komisch, oder?«<br />

Gar nicht komisch. Der Motor ist im Arsch. Ich wollte den Viehtransporter<br />

ein für alle Mal loswerden, jetzt hab ich’s geschafft. Er steht unbeweglich<br />

auf dem Pannenstreifen und ich stecke fest – zusammen mit vier Kindern,<br />

zwei Frauen und einem Tetraplegiker. Wir haben August, inzwischen sind<br />

es vierzig Grad im Schatten und wir noch zweihundert Kilometer von Marseille<br />

entfernt, wo in knapp vier Stunden das Schiff nach Korsika ablegt.<br />

Das läuft ja wie am Schnürchen … Die veräppeln mich alle, diese

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