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Fresse ziehen wird. Erst wird er die Blättchen und den Tabak unter der<br />
Matratze hervorziehen, dann wird er versuchen, das Zeug zu zerbröseln, bis<br />
ihm die Finger bluten. Na, Jean-Bernard, wie gefällt dir mein Stoff? Kein<br />
Wunder, ist reiner Ahorn!<br />
Abends finden die Kellerfeten statt, »Zulu-Partys« genannt. Wir verstehen<br />
uns alle prächtig, die ethnische Herkunft spielt keine Rolle. Und weil wir<br />
uns so prächtig verstehen, wissen wir nichts voneinander. Ich kenne den<br />
Vor- oder Spitznamen von jedem Typen, sie kennen meinen: der kleine Abdel.<br />
Mehr nicht. Ihre Nachnamen sind mir unbekannt, und »Sellou« haben<br />
die noch nie gehört. Sie nennen mich den Kleinen wegen meiner Größe,<br />
nicht wegen meines Alters, fünfzehn Jahre. Hier sieht man noch viel<br />
Jüngere als mich und sogar ein paar arg naive Mädchen. Sie spielen mit<br />
dem Feuer, genießen die Blicke dieser Jungs, die stark wie Männer sind. Sie<br />
werden es noch bitter bereuen. Ich beobachte das Ganze von der Seite,<br />
ohne wirklich teilzunehmen. An einem Abend bin ich draußen bei den<br />
Punks, an anderen ziehe ich mich vor dem Regen in den Keller zurück, um<br />
meine Ware zu verticken.<br />
»He! Kleiner Abdel! Hab’n Tipp für dich. Ein Mädchen vom Henri-IV-<br />
Gymnasium gibt heute Abend eine Party, schicke Wohnung, Nähe<br />
Ranelagh. Ihre Alten sind verreist, bist du dabei?«<br />
»Klar!«<br />
In solchen Fällen nistet man sich bei der Gastgeberin ein und feiert<br />
brav mit, bis einer zum Aufbruch bläst. Dann lässt man alles mitgehen, was<br />
sich lohnt. Mindestens ein aktueller Videorekorder ist immer dabei. Ich<br />
stöpsle vorsichtig die Kabel aus und rolle sie sorgfältig auf. Die junge Dame<br />
des Hauses sieht es mit Entsetzen. Was treiben ihre neuen <strong>Freunde</strong> da?<br />
Eben waren die noch so nett! Wie hätte sie das ahnen können? Ach, die<br />
bösen Jungs! Sie schließt sich in ihrem Zimmer ein. Auf der Straße lachen<br />
sich die Kumpels bei meinem Anblick halbtot, während ich ganz lässig ein<br />
Gerät davontrage, das so viel wiegt wie ich.<br />
»Du bist der Beste, kleiner Abdel!«