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Einfach Freunde

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»Ausweiskontrolle. Zeig deine Papiere her!«<br />

Ich setzte mich schließlich auf, gähnte herzhaft und wollte gerade einen<br />

Blick auf meine Uhr werfen, als mir dämmerte, dass das keine gute Idee<br />

war. Der Hungerleider in Uniform hätte bestimmt erraten, dass ich sie<br />

nicht zur Kommunion geschenkt bekommen hatte.<br />

»Zum Kaffee hätte ich gern noch ein kleines Croissant …«<br />

»Schön, dass du schon beim Aufwachen Humor beweist!«<br />

Entspannt reichte ich ihm meine Papiere, die natürlich in Ordnung<br />

waren. Als gebürtiger Algerier besaß ich eine Aufenthaltsgenehmigung, die<br />

erst vor kurzem verlängert worden war. Außerdem lief bereits mein Einbürgerungsverfahren:<br />

In den achtziger Jahren konnte jeder, der länger als<br />

zehn Jahre in Frankreich lebte, den blau-weiß-roten Pass bekommen. Da<br />

hab ich nicht lange gefackelt. Im Gegensatz zu meinem Bruder, diesem Idioten,<br />

der nicht aufgepasst hatte und 1986 nach Algerien zurückgeschickt<br />

worden war. Belkacem und Amina verloren einen Sohn, vermutlich denjenigen,<br />

den sie lieber behalten hätten. Den anderen würden sie bald auf<br />

der Wache abholen müssen.<br />

»Sellou, die Kripo will dich befragen, wir nehmen dich mit.«<br />

»Kripo? Was ist das?«<br />

»Tu nicht so. Kriminalpolizei, das weißt du ganz genau.«<br />

Ich wusste sofort, dass es sich um den Mord vom Châtelet handelte.<br />

Der einzige Vorfall, der schwer genug war, um mir eine Audienz auf der Île<br />

de la Cité zu bescheren. Ich wusste aber auch, dass man mir nichts anhaben<br />

konnte: Ich war bloß Zeuge gewesen und konnte den Mörder noch nicht<br />

mal identifizieren. Ausnahmsweise würde ich nicht lügen müssen. Tricksen<br />

war nicht nötig: Mir wurde nichts vorgeworfen, ich konnte die Wahrheit<br />

sagen, nichts als die Wahrheit. Es hatte eine Rangelei gegeben, eine Messerstecherei,<br />

der Typ war zu Boden gegangen, Ende.<br />

Und Anfang meiner Gerichtslaufbahn.

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