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Myrkdag - Thorwal Standard

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die Anzahl und Fähigkeiten der Magier, die auf der Burg weilten.<br />

Lefke erkannte sie als die weibliche Stimme, die sie bei dem<br />

lautstarken Disput vorhin vernommen hatte.<br />

Lefke hielt sich im Hintergrund und beobachtete die fünf Jahre<br />

ältere Verwandte, die wie Hagwulf auf der Garether Akademie<br />

gewesen war. ‚Merkwürdig, dass Hagwulf sie nie erwähnt hat, er müsste<br />

sie doch aus Gareth kennen’, kam es Lefke in den Sinn.<br />

Lefke hatte Rahjanda kurz nach der Blutnacht von Rommilys<br />

kennen gelernt. Rahjanda war damals erst zwei Tage nach den<br />

Geschehnissen in Rommilys eingetroffen, weil eine Mission in<br />

das Grenzgebiet zur Trollpforte sie davon abgehalten hatte<br />

rechtzeitig zum Geburtstag der Fürstin in Rommilys zu sein.<br />

Zunächst war die Base sehr herzlich gewesen, eine<br />

Freundlichkeit, die Lefke sehr genossen hatte, weil sie in der<br />

Stadt außer ihren Geschwistern ja kaum jemanden kannte. Die<br />

darpatische Kanzlerin Ismena hatte schließlich vor Rahjanda<br />

gewarnt: Sie sei nicht aufrichtig und mit Vorsicht zu genießen.<br />

Und tatsächlich stellte sich alsbald heraus, dass Rahjanda<br />

lediglich versucht hatte, in Erfahrung zu bringen, ob die<br />

Schwester der Fürstin für die Sache der Falken in der Familie<br />

zu gewinnen sei. Ismena war es auch, die Lefke erzählte, dass<br />

Rahjandas Gemahl schon zu Beginn des Kampfes gegen den<br />

Dämonenmeister gefallen war, noch bevor Tsa das Paar mit<br />

Kindern gesegnet hatte. Seitdem hatte sich die hübsche Magierin<br />

noch stärker ihrer Eitelkeit und ihrem Fortkommen<br />

verschrieben, hatte aber bislang wohl noch keinen neuen Mann<br />

gefunden, von dem sie sich mehr Einfluss versprach. Diese<br />

Eigenart schien in dem Zweig der Familie zu liegen, denn ihr<br />

Bruder Leomar Bernfried hatte sich nach Äußerungen Ucurians<br />

auch nur dem eigenen Erfolg verschrieben, bis er just hier auf<br />

Burg Rabenmund vor wenigen Tagen offensichtlich zunächst<br />

den Verstand und dann in Folge sein Leben verlor.<br />

Zu Lefkes Überraschung war Rahjanda im Vergleich zu ihr selbst<br />

tadellos zurecht gemacht. Die blaue Robe aus edler Seide war<br />

makellos und ihr braunes wallendes langes Haar, das von einem<br />

schmucken Stirnband gebändigt wurde, sah wohl frisiert aus.<br />

Lefke runzelte die Stirn, als sie ihre Base beobachtete. ‚Ein<br />

seltener Luxus’, kamen ihr Hagwulfs Worte in den Sinn.<br />

Entweder hatte Rahjanda viel Zeit für ihre Toilette aufgewendet<br />

oder aber auf magische Art nachgeholfen. Beides konnte<br />

angesichts der Not und Zustände in der Burg eigentlich nicht<br />

sein. Bevor Lefke sich weiter darüber wundern konnte, wie<br />

Rahjanda es wohl zuwege brachte, inmitten dieses Elends<br />

auszusehen als sei dies ein Höflichkeitsbesuch bei Hofe,<br />

beendete Lutisana ihren Bericht und zog sich mit Answins Enkel<br />

zurück.<br />

Answin wirkte ausgeruht und frisch. Er nickte Lefke freundlich<br />

zu, bevor er das Wort an Rahjanda richtete: „Nun mein Kind,<br />

hast du noch etwas auf dem Herzen?“ „Kaiserliche Hoheit, ich<br />

würde gerne unter vier Augen mit Euch sprechen“, erwiderte<br />

die Magierin. Answin verzog keine Miene und bedeutete Lefke<br />

mit einem Nicken, dass sie draußen warten möge.<br />

Schon nach wenigen Minuten verließ Rahjanda das Zimmer,<br />

ohne ein Wort an die wartende Lefke zu richten. Einigermaßen<br />

verwirrt über das unhöfliche Verhalten ihrer Base, trat Lefke<br />

auf die Aufforderung ihres Onkel ein.<br />

Im Schatten des Raben<br />

„Setz’ dich, mein Kind. Ich hoffe, es ist dir seit deiner Ankunft<br />

wohl ergangen?“ Er musterte sie ernst und fuhr, ohne eine<br />

Antwort abzuwarten, fort: „Deine Base Rahjanda meint, ich<br />

könne dir nicht vertrauen. Zu eng seiest du mit deinen beiden<br />

Geschwistern Irmegunde und Ucurian verbunden und diese<br />

würden sich mir niemals unterstellen. Sie mutmaßte, du habest<br />

alles, was du in Friedland erfahren hast, umgehend nach<br />

Rommilys und zum Hohenstein weitergegeben.“ An der ruhigen<br />

Miene ihres Onkels war nicht abzulesen, ob er auch nur ein<br />

Wort davon glaubte, was er ihr gerade eröffnet hatte.<br />

Völlig überrumpelt spürte Lefke, wie ihr Tränen des Zorns in<br />

die Augen schossen. Sie war ja inzwischen vieles gewohnt, aber<br />

diese Niedertracht verschlug ihr die Sprache. Sie atmete zweimal<br />

tief ein, um sich etwas zu beruhigen und erwiderte dann: „Diese<br />

Anschuldigungen sind es nicht wert, dazu auch nur einen Ton<br />

zu sagen.“ Ihr Onkel schmunzelte ein wenig: „Ich weiß, mein<br />

Kind. Deine Base möchte gerne hoch hinaus, wahrscheinlich<br />

möchte sie sogar deinen Platz einnehmen. Und sie würde diese<br />

Aufgabe wahrscheinlich auch gut verrichten. Sie...“<br />

„Onkel“, Lefke blieb bei dieser vertraulichen Anrede –<br />

zumindest, solange sie allein oder nur von Familienmitgliedern<br />

umgeben waren –, die ihr inniges Verhältnis widerspiegelte, das<br />

sich in den letzten Jahren zwischen ihnen eingestellt hatte, „ein<br />

Wort genügt und mein Platz an deiner Seite ist frei“, fiel sie<br />

ihm ins Wort, wobei ihre Stimme entgegen ihrem Bemühen,<br />

ruhig zu wirken, einen trotzigen Unterton annahm.<br />

Answin lächelte begütigend. „Ich weiß, mein Kind. Ich weiß<br />

auch, dass du deinen Geschwistern keine Geheimnisse verraten<br />

hast. Dennoch will ich nicht verhehlen, dass ich Rahjanda in<br />

einem zustimme: Ich halte es für ungewiss, wie deine Loyalitäten<br />

verteilt wären, wenn es zu einem Konflikt mit deinen<br />

Geschwistern käme. Du wirst mir zustimmen müssen, dass dein<br />

Bruder meine Rückkehr ins Reich vehement ablehnen wird.<br />

Auch wenn er mein Exil sicher nicht verraten hätte, wenn er je<br />

die dazu Gelegenheit gehabt hätte. Und deine Schwester? Noch<br />

vor einigen Götterläufen hätte Irmegunde das getan, was ihrer<br />

Meinung nach der Familie und ihrer Machtposition am meisten<br />

genützt hätte, unabhängig davon, was sie persönlich für richtig<br />

gehalten hätte. Dessen kann ich mir mittlerweile aber nicht mehr<br />

sicher sein. Sie hat sich seit den Ereignissen der Blutnacht sehr<br />

verändert. Ohne Zweifel ist ihre Position schwierig. Einerseits<br />

machen Helmbrecht und die anderen Scharfmacher Druck, sie<br />

solle unnachgiebiger sein, andererseits sieht sie völlig klar, dass<br />

sie gar keinen Spielraum mehr hat, um unnachgiebig zu sein.<br />

Ein unlösbares Dilemma, aus dem ich sie befreien werde.“<br />

Während seiner kleinen Rede hatte Answin Lefke scheinbar<br />

unbeteiligt angeschaut, doch sie kannte ihn inzwischen gut<br />

genug, um zu wissen, dass er jedes noch so kleines Mienenspiel<br />

in ihrem Gesicht wahrgenommen und gedeutet hatte. Sie selbst<br />

war keine gute Diplomatin ihre Emotionen trug sie meist für<br />

alle sichtbar offen zu Tage und nur selten gelang es ihr, ihre<br />

Impulsivität zu zügeln und ein Boltangesicht zu wahren. Answin<br />

konnte in ihr wahrscheinlich lesen wie in einem Buch, auch<br />

ohne Magie oder eine besondere intuitive Begabung wie Ismena<br />

sie hatte.<br />

„Onkel, du hast mir vor drei Monden erklärt, dass du derjenige<br />

bist, den das Reich jetzt dringend benötigt, um nicht führungslos<br />

im Chaos zu versinken und ich habe dir zugestimmt. Inzwischen<br />

wissen wir jedoch, dass die Königin und Erbin des Kaiserthrons<br />

noch lebt. Du hast nicht das Recht, ihr und ihrer Familie erneut<br />

<strong>Thorwal</strong> <strong>Standard</strong> Nr. 17, Seite 79

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