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Myrkdag - Thorwal Standard

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ihren schon traumumnebelten Augen sank sie in tiefen Schlaf,<br />

der sie in Reich der süßen Träume führte.<br />

***<br />

„... nicht gut?“ Die aufgeregte Stimme drang durch den tiefen<br />

Schlaf zu Lefke durch. Nur ungern löste sie sich von dem<br />

wunderbaren Traum, der sie noch eben gefangen gehalten hatte.<br />

Doch schon wieder hörte sie die Stimme: „Prinzliche<br />

Durchlaucht, was ist Euch? Geht es Euch nicht gut? Euch steht<br />

ja der Schweiß im Gesicht!“ Lefke löste sich mit Bedauern aus<br />

ihrem Traum und schlug die Augen auf. Hagwulf stand neben<br />

ihrem Bett, sein Gesicht drückte Besorgnis, ja Furcht aus. In<br />

der Hand hielt er die Phiole, in der der Trank gewesen war, den<br />

sie zu sich genommen hatte.<br />

„Was habt Ihr genommen, Ihr müsst es mir sagen, diese Tränke<br />

können schlimme Nebenwirkungen haben“, sagte er gerade.<br />

Lefke schüttelte den Kopf. Noch etwas schlaftrunken richtete<br />

sie sich dann auf. „Es ist alles gut, Hagwulf“, sagte sie, „ich<br />

habe einen Schlaftrunk genommen, damit ich erfrischter wieder<br />

erwache und meine Kräfte wieder finde. Mir geht es gut.“<br />

Hagwulfs Blick zeigte deutlich, dass er ihren Worten keinen<br />

Glauben schenkte. „Ihr habt im Schlaf aufgeschrieen und Euch<br />

gewunden, als wolltet Ihr den Klauen von Dämonen<br />

entkommen“, wandte er ein.<br />

Zu seinem größten Erstaunen begann Lefke zunächst herzhaft<br />

zu lachen, bevor sie schüchtern die Augen niederschlug. „Im<br />

Gegenteil, mein lieber Hagwulf, ich habe sehr erholsam<br />

geschlafen und bin von keinen Albträumen geplagt worden.“<br />

Der Magus runzelte die Stirn. „Aber...“<br />

„Kein aber. Mir geht es wirklich gut. Ihr müsst Euch keine<br />

Sorgen machen“, unterbrach sie ihn. „Welche Stunde ist es<br />

eigentlich? Ich habe Hunger wie ein Bär.“ Lefke konnte sehen,<br />

dass sie die Bedenken des Magus noch nicht zerstreut hatte,<br />

beschloss aber, dies einfach zu ignorieren. Es ging bestimmt<br />

nicht an, ihm von ihrem Traum zu berichten, in dem sie mit<br />

Nadêshda Rahjas Früchte gekostet hatte. Die Erinnerung daran<br />

erfüllte sie mit wohliger Süße und zugleich mit dem bittersüßen<br />

Gefühl der Sehnsucht. Nun, da sie wieder wach war, fühlte sie<br />

sich wieder besser, und ein gutes Essen würde gewiss ein Übriges<br />

tun, um sie wieder zu Kräften kommen zu lassen. Hagwulf<br />

wies sie darauf hin, dass sie vier Stunden geschlafen hatte und<br />

wenn sie sich beeilten, würden sie noch etwas von der Tafel im<br />

Speisesaal für sich ergattern können. Erfreut stellte sie fest, dass<br />

Alruna zwischenzeitlich ihre zweite Robe geplättet hatte. Die<br />

graue Robe aus weicher Wolle war zwar ebenfalls kein<br />

Festgewand, aber sie fühlte sich gleich viel wohler in dieser<br />

standesgemäßen Kleidung.<br />

Im Speisesaal fanden die beiden Magier Answin und Lutisana<br />

sowie die Mitglieder der Familie Rabenmund und einige andere<br />

Adlige, die sich auf der Burg aufhielten, vor. Wie Lefke vermutet<br />

hatte, war für das Abendmahl so reichlich wie eben möglich<br />

aufgetischt worden. Lefke lief das Wasser im Munde zusammen,<br />

als ihr gar der lang entbehrte Geruch von gebratenem Fleisch<br />

in die Nase stieg.<br />

Als die Neuankömmlinge den Raum betraten, nickte Answin<br />

kurz seiner Nichte zu und wandte sich dann sogleich wieder<br />

seinem Gesprächspartner zu. Hagwulf und Lefke suchten sich<br />

Im Schatten des Raben<br />

einen Platz am Ende des langen Tisches, an dessen Kopfende<br />

Answin Platz genommen hatte. Er saß bequem zurückgelehnt<br />

auf seinem Stuhl und lauschte gerade mit interessiertem<br />

Gesichtsausdruck den Ausführungen von Ludeger, der zu seiner<br />

Rechten saß. Rahjanda und Goswin ergänzten die Gruppe.<br />

Während Lefke und Hagwulf sich die Speisen schmecken ließen,<br />

beobachteten sie die hier versammelten Menschen.<br />

Corelian war nirgends zu entdecken, wie Lefke etwas erstaunt<br />

bemerkte. Lutisana unterhielt sich angeregt mit einigen<br />

Rabenmunds, unter ihnen Answin d.J., sein treuer Freund<br />

Ludian und Helmbrecht. Lefkes Magen krampfte sich<br />

zusammen, als sie Bohemund von Falkenhag sah, der ebenfalls<br />

an dem Gespräch teilnahm. Er musste ihren Blick bemerkt<br />

haben, denn er sah sie unvermittelt an und ihre Blicke kreuzten<br />

sich. Schnell senkte Lefke ihre Augen und begann ein<br />

belangloses Gespräch mit Hagwulf. Es entging ihr nicht, dass<br />

Hagwulf ihren Blickwechsel bemerkt hatte, doch er war taktvoll<br />

genug, kein Wort darüber zu verlieren.<br />

Nachdem sie ihren Hunger gestillt hatten, gesellte Lefke sich<br />

zu ihrem Onkel. Goswin hatte sich zwischenzeitlich der Gruppe<br />

um Lutisana angeschlossen und Lefke hörte, dass er auf<br />

Nachfrage erklärte, seine Frau und Kinder rechtzeitig vor<br />

Galottas Angriff auf Wehrheim nach Rommilys geschickt zu<br />

haben.<br />

Rahjanda zog wie schon am Nachmittag in ihrer figurbetonten<br />

Robe aus leuchtend blauer Seide, die sie mit einer mit Gold<br />

durchwirkten Kordel geschnürt hatte, bewundernde Blicke auf<br />

sich; Ludian und Ludeger verschlangen sie förmlich mit ihren<br />

begehrlichen Blicken. Am Saum glitzerte eine goldene Bordüre<br />

und der Kragen war mit feinstem Samt besetzt. Die braunen,<br />

seidig glänzenden Locken waren mit passenden blauen Bändern<br />

kunstvoll geflochten. Puder unterstrich ihre hohen<br />

Wangenknochen und die ovale Form ihres Gesichtes auf das<br />

Vorteilhafteste. Von den Entbehrungen der Belagerung und<br />

dem Grauen des Krieges wirkte die Adepta vollkommen<br />

unberührt. Gerade ließ sie ein gurrendes Lachen hören, als<br />

Ludeger eine seiner Anekdoten aus Rommilys zum Besten gab.<br />

Lefke kam sich auf einmal schäbig vor in ihrem schlichten<br />

Gewand.<br />

„Meine Liebe, ich sehe, es geht dir wieder besser“, Answin<br />

lächelte sie freundlich an und bedeutete ihr, Platz zu nehmen.<br />

„Ja, danke, ich konnte ein wenig ausruhen und meine Kräfte<br />

für die auf uns zukommenden Herausforderungen sammeln“,<br />

antwortete sie im freundlichen Plauderton.<br />

Mit einem aufgesetzten Grinsen antwortete Ludeger: „Kaum<br />

angekommen und schon auf zu neuen Taten, so wird sicherlich<br />

unserem glorreichen Sieg nichts mehr im Wege stehen.“ Lefke<br />

warf ihm einen finsteren Blick zu, ignorierte die Bemerkung<br />

aber. „Habt Ihr bereits entschieden, wie wir fortfahren werden?“<br />

wandte sie sich stattdessen an ihren Onkel. Answin runzelte<br />

angesichts der kaum verhüllten Feindschaft zwischen seinem<br />

Sohn und seiner Nichte die Stirn und warf beiden einen<br />

düsteren Blick zu, doch antwortete in ruhigem Tonfall: „Wir<br />

ziehen in Erwägung, unsere Truppen in Richtung Wehrheim<br />

zu bewegen. Um Rommilys zu befreien, müssen wir unsere<br />

Rückzugs- und Transportwege frei halten. Es gibt noch einige<br />

<strong>Thorwal</strong> <strong>Standard</strong> Nr. 17, Seite 83

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