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Myrkdag - Thorwal Standard

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von Answins Enkel zu übernehmen. Er war erleichtert gewesen,<br />

nach fünf Jahren, in denen er fast die ganze Zeit für den Schutz<br />

Lefkes zuständig gewesen war, endlich von ihr wegzukommen.<br />

Doch schon auf dem Weg ins Reich vermisste er Lefke. Die<br />

Prinzessin verließ niemals seine Gedanken, wofür er sich selbst<br />

wiederum ständig Mal einen Narren schalt. Doch die Ereignisse<br />

im Reich waren derart ereignisreich gewesen, dass es ihm<br />

allmählich gelang sie aus seinen Gedanken zu verbannen. Nur<br />

des nachts spukte sie immer wieder durch seine Träume.<br />

Hagwulf glaubte sich schon beinahe kuriert, bis er sie gestern<br />

an der Seite ihres Onkels reiten sah. Jäh überfiel ihn die<br />

monatelang verdrängte Sehnsucht nach ihrer Nähe. Doch die<br />

Ernüchterung folgte auf dem Fuße: Der Falkenhager gehörte<br />

ebenfalls zum Heeresaufgebot des Grafen. Wieder wurde ihm<br />

bewusst, dass er keinerlei Chance hatte, Lefkes Herz zu<br />

gewinnen, geschweige denn die Zustimmung ihrer Schwester<br />

zu einer solchen Verbindung. Als nicht erbberechtigter Sohn<br />

eines mittellosen Barons, der als Flüchtling anderen auf der<br />

Tasche lag, konnte es niemals eine dauerhafte Beziehung mit<br />

der Prinzessin geben. Doch schon eine Stunde später machte<br />

sein Herz wieder einen freudigen Sprung, als ihm klar wurde,<br />

dass der Falkenhager und Lefke nach der Befreiung der Burg<br />

getrennte Wege gingen. Seine Laune besserte sich noch mehr,<br />

als er sich in Erinnerung rief, dass Lefke durchaus nicht den<br />

Eindruck vermittelte, als ob sie sich ihren Lebenspartner von<br />

wem auch immer vorschreiben ließe …<br />

’Narr’ schalt er sich erneut. ‚Sie liebt bestimmt noch diesen<br />

Laffen und ist somit ohnehin nicht für dich erreichbar. Sie<br />

halten es mit Sicherheit nur nicht für schicklich, ihre Affäre<br />

auf diesem Feldzug vor aller Augen fortzuführen. Deshalb hat<br />

sie dich wie selbstverständlich auf ihr Zimmer eingeladen.’<br />

„Herr von Herzogenrat? Wollt Ihr flüchten?“ Er hörte die<br />

Prinzessin, die offenbar ihre gute Laune wieder gefunden hatte,<br />

lachen.<br />

Erschrocken blieb er stehen. Er war so in Gedanken versunken<br />

gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass sie das Zimmer im<br />

zweiten Stock schon erreicht hatten und er in Gedanken einfach<br />

weitergegangen war. So eine Nachlässigkeit war ihm seit Jahren<br />

nicht mehr passiert. Offensichtlich lief er rot an, denn ihm<br />

wurde ganz heiß und er sah, dass Lefke ihn amüsiert betrachtete.<br />

„Ihr macht ein Gesicht, als hättet Ihr einen Geist gesehen. Aber<br />

keine Sorge, ich bin noch ganz aus Fleisch und Blut.“ ‚Als hätte<br />

es dieser Erinnerung bedurft’, dachte Hagwulf, während die Röte<br />

in seinem Gesicht sich vertiefte.<br />

Hagwulf blickte zu den beiden Wachen vor Answins Gemach,<br />

sie verzogen keine Mine und schauten stoisch auf die<br />

gegenüberliegende Wand.<br />

Schließlich ging er die paar Schritte zurück und folgte Lefke,<br />

die bereits eingetreten war.<br />

Sein Bett war inzwischen hergerichtet und trotz aller inneren<br />

Aufgewühltheit und Anspannung, fühlte er angesichts des<br />

einladenden Lakens die Müdigkeit in seine Glieder fahren. Er<br />

atmete tief ein und straffte sich, bevor er eintrat. Als er jedoch<br />

sah, dass Lefke bereits ihre Robe ablegte, gewann die<br />

Unsicherheit wieder Oberhand. Doch eine<br />

Rückzugsmöglichkeit gab es nicht mehr, da musste er nun<br />

durch, sagte er sich. Also stellte er seinen Stab in die Ecke und<br />

zog sich ebenfalls die Robe über den Kopf. Dennoch konnte<br />

er nicht umhin, einen verstohlenen Blick auf die Prinzessin zu<br />

werfen, als diese nur noch mit einem dünnen Unterkleid<br />

Im Schatten des Raben<br />

bekleidet, unter dem sich ihre Rundungen nur zu deutlich<br />

abzeichneten, unter ihre Decke schlüpfte.<br />

Lange konnte Hagwulf keinen Schlaf finden. Während die<br />

Prinzessin bereits fest eingeschlafen war, wälzte er sich in seinem<br />

Bett hin und her. Immer wieder wanderten seine Blicke zu dem<br />

Bett an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Der helle<br />

Mond tauchte Lefke in silbriges Licht und ließ ihre blonden<br />

Haare wie Seide glänzen. Gleichmäßig hob und senkte sich ihr<br />

Busen. Im Schlaf waren ihre Züge weicher, die Linien, die sich<br />

um ihre Augen und ihren Mund eingegraben hatten, waren<br />

geglättet.<br />

Entschlossen drehte Hagwulf der Schlafenden den Rücken zu<br />

und schloss die Augen. Doch Borons gütiger Mantel des<br />

Vergessens senkte sich nicht über ihn. Vor seinem inneren Auge<br />

spukte beständig das Bild der Angebeteten herum. Als Lefke<br />

im Schlaf etwas Unverständliches murmelte, schreckte er hoch<br />

und sein Blick wanderte wieder zum anderen Bett. ‚Wie einfach<br />

wäre es jetzt, hinüberzugehen und sie zu berühren’, dachte er, nur um<br />

sich im selben Moment für diese Vorstellung zu schelten. Wie<br />

konnte er nur solche Gedanken haben und ihr Vertrauen<br />

missbrauchen, wo sie ihn so unschuldig in ihr Zimmer eingeladen<br />

hatte.<br />

Doch als er sich wieder auf sein Lager legte, konnte er die Bilder,<br />

die sich in seinem Kopf festgesetzt hatten, nicht verdrängen,<br />

auch nicht als Boron ihn endlich gnädig in seine Arme schloss<br />

...<br />

***<br />

Als Hagwulf erwachte, war der neue Tag bereits angebrochen,<br />

dessen Licht die Kammer erhellte. Lefke schlief noch tief und<br />

fest. Die Decke war ihr fast bis zur Taille herunter gerutscht,<br />

sodass Hagwulf ein ungestörter Blick auf ihre Rundungen, die<br />

sich deutlich unter ihrem dünnen Nachtgewand abzeichneten,<br />

vergönnt war.<br />

Nach einigen Minuten erhob er sich seufzend. Er griff nach<br />

seinen Sachen und versuchte, so leise wie möglich die Kammer<br />

zu verlassen, um sich etwas frisch zu machen und ein Frühstück<br />

für sich und die Prinzessin zu beschaffen. Auf dem Weg zum<br />

Waschraum hätte er - noch völlig in Gedanken - beinahe<br />

Rahjanda angerempelt, die eben aus Ludegers Gemach auf den<br />

Gang trat. Nicht minder überrascht wie er selbst fauchte sie:<br />

„Habt Ihr keine Augen im Kopf?“ Hagwulf murmelte eine<br />

Entschuldigung. Die Adepta warf hochmütig den Kopf in den<br />

Nacken, bevor sie an ihm vorbei zur Badestube stolzierte.<br />

Langsam folgte Hagwulf ihr, immer noch peinlich berührt von<br />

seiner Unachtsamkeit. Missmutig musste er dann auch noch<br />

feststellen, dass bereits reger Betrieb in der Badestube herrschte<br />

und keiner der bereit gestellten Waschzuber frei war. Also<br />

beschränkte er sich auf eine Katzenwäsche, nachdem ihm<br />

endlich einer der von den vielfältigen Wünschen der neu<br />

angekommenen hohen Herren völlig überforderten Diener eine<br />

Schüssel mit warmem Wasser, Schwamm und Handtuch besorgt<br />

hatte.<br />

Als er endlich fertig angekleidet im über den Burghof zur Küche<br />

ging, sah er zu seiner Verblüffung, dass Lefke auch schon<br />

aufgestanden war und sich mit zwei Söldnern bei den<br />

Pferdeboxen unterhielt. Gerade überlegte er noch, ob er sich<br />

dazugesellen sollte, als die drei im Stallgebäude verschwanden.<br />

<strong>Thorwal</strong> <strong>Standard</strong> Nr. 17, Seite 85

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