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Myrkdag - Thorwal Standard

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Im Schatten des Raben<br />

und den anderen Verwandten aufbrechen, um sich nach<br />

Rommilys aufzumachen.<br />

Beim Gedanken, Corelian ebenso zurück zu lassen, wie<br />

Nadêshda, krampfte sich ihr Herz zusammen. Es kostetet sie<br />

alle Willenskraft, ihre schmerzlichen Gefühle beiseite zu<br />

schieben. Answin würde ihre Entscheidung verstehen, wenn<br />

auch nicht gutheißen. Es war eine Ironie des Schicksals, dass<br />

ausgerechnet ihr Onkel derjenige war, auf dessen Verständnis<br />

sie vertrauen konnte, wenn sie ihn verriet – denn, allem Reden<br />

und allen Argumenten zum Trotz, Verrat war es, was sie im<br />

Begriff war zu tun.<br />

***<br />

Lefke war froh, dass sie unbehelligt bis zu ihrer Kammer<br />

gelangte. Ihre wenigen Habseligkeiten waren schnell gepackt.<br />

Der Familienrat würde bald beginnen. Innerlich wappnete sie<br />

sich für den unausweichlichen Streit mit den übrigen<br />

Rabenmunds.<br />

Die Spannung, die den Familienrat begleitete, war fast greifbar,<br />

als die Prinzessin den großen Speisesaal betrat. Answin saß mit<br />

unergründlichem Gesichtsausdruck neben Ludeger am<br />

Kopfende des lang gestreckten Tisches. Goswin und Torwulf<br />

hatten sich um Hilgert geschart, der noch nicht Platz genommen<br />

hatte und mit grimmigem Gesichtsausdruck am der Tür<br />

zugewandten Ende des Tisches stand. Answin d.J. saß etwas<br />

verloren in der Nähe seines Großvaters. Doch er schien eine<br />

Entscheidung getroffen zu haben und schaute selbstbewusst<br />

zwischen den Anwesenden hin und her. Gerade betrat auch<br />

Rahjanda den Raum. Ohne zu Zögern trat sie an Ludegers Seite,<br />

der sie herzlich begrüßte. Corelian und Helmbrecht hatten sich<br />

auf der linken Seite des Tisches einen Platz gesucht, von dem<br />

aus sie das Geschehen gut im Blick behalten konnten.<br />

Lefke suchte sich einen Platz gegenüber ihrem Bruders. Corelian<br />

machte einen noch erschöpfteren Eindruck als am Vormittag.<br />

Erneut krampfte sich Lefkes Herz zusammen. Schnell blickte<br />

sie zum Fenster, um die Tränen wegzublinzeln, die ihr in die<br />

Augen getreten waren.<br />

Schließlich eröffnete Answin den Familienrat: „Was uns hier<br />

zusammenführt, brauche ich nicht zu erläutern. Es ist<br />

offensichtlich, dass einige von Euch mir misstrauen, obwohl<br />

ich sie soeben aus einer aussichtslosen Lage befreit habe. Nun<br />

möget Ihr also sprechen und Eure Befürchtungen vortragen.<br />

Doch seid einer Sache gewiss: Ich bin gekommen, um dem<br />

Reich in seiner Not beizustehen und es zum alten Glanz zurück<br />

zu führen. Von diesem Weg werde ich nicht weichen.“<br />

Goswin erhob als erster die Stimme: „Keiner zweifelt an der<br />

großartigen Tat, die Ihr vollbracht habt. Doch wo bleibt die<br />

Demut, die ich von einem erwarte, der wie Ihr eine Schuld am<br />

Reich und an unserer Familie abzutragen hat? Ich sehe Euch,<br />

wie Ihr immer wart: von Euch selbst eingenommen und stolz.<br />

Das Reich retten und zum alten Glanze zurückführen. Wohlfeile<br />

Worte, Vetter. Wie viel des Glanzes aber beansprucht Ihr für<br />

Euch selbst? Soll Euer Haupt wieder im Glanze der Krone<br />

erstrahlen oder wollt Ihr diesen Glanz der rechtmäßigen Königin<br />

Rohaja sichern?“<br />

Zornig sprang der Bröcklinger auf: „Was maßt Ihr Euch an,<br />

Goswin? Das Reich ist in höchster Not – und was tut Ihr? Statt<br />

<strong>Thorwal</strong> <strong>Standard</strong> Nr.17, Seite 90<br />

den Retter mit offenen Armen zu empfangen und ihm auf<br />

Knien zu danken, dass er sich unter größter Gefahr zurück ins<br />

Reich begeben hat, erhebt Ihr haltlose Vorwürfe.“<br />

„Haltlose Vorwürfe?“ brauste Goswin auf. „Ist Euer Gedächtnis<br />

vom glorreichen Sieg Eures Großvaters so umnebelt, dass Ihr<br />

nicht sein wahres Ziel erkennen könnt?“<br />

Die schneidende Stimme Ludegers ließ Lefke die Nackenhaare<br />

zu Berge stehen: „Nicht wir sind die Feinde des Reiches, sondern<br />

Ihr, Goswin. Ihr wollt dem Reich und unserem Darpatien die<br />

letzte Hoffnung versagen, um Eure kleinlichen Händel zu<br />

führen. Solange die Rabenmunds stark waren, war es auch das<br />

Reich. Jetzt sind sie schwach, da die Fürstin vor diesem Mädchen<br />

aus Gareth kriecht und die wahren Freunde Darpatiens<br />

verleugnet.“<br />

Hilgert ergriff das Wort: „Sprecht Ihr wahr und ist es nur<br />

selbstlose Hilfe, die Ihr dem Reich anbietet, was hindert Euch<br />

dann daran, Eure Truppen der Fürstin zu unterstellen?“<br />

„Die Fürstin ist schwach und nur mehr eine Marionette<br />

Gareths“, antwortete Helmbrecht, „und diese so genannte<br />

Königin hat nicht den Verstand, zu erkennen, wann es Zeit ist,<br />

den Platz für den rechtmäßigen Herrscher frei zu machen.<br />

Niemals wird sie Answin im Reich dulden. Und ebenso wenig<br />

wird die Fürstin sich auf unsere Seite stellen. Nein, wir müssen<br />

allein vorangehen. Unser Erfolg wird für uns sprechen und die<br />

Menschen werden uns folgen, weil sie sich nach Answins starker<br />

Hand sehnen.“<br />

Seinen Worten folgte lautstarkes Durcheinander, weil Hilgert,<br />

Goswin und Torwulf auf der einen und Answin d.J., Ludeger<br />

und Rahjanda auf der anderen Seite gleichzeitig ihren Ansichten<br />

Ausdruck verliehen. Lefke blickte stumm zu Corelian, der mit<br />

versteinerter Miene das Geschehen beobachtete.<br />

„Genug!“ Answins donnernde Stimme brachte die Rabenmunds<br />

zum Verstummen. „Ich bin ins Reich zurückgekehrt, um es zu<br />

retten. Ich habe den eigenen Tod nicht gefürchtet, mit dem die<br />

Fuchswelpen und ihre Schergen mich bedrohen und ich fürchte<br />

den Tod nicht, den die fürchterlichen Heptarchen jedem<br />

versprechen, der sich gegen sie wendet. Ich habe nichts zu<br />

fürchten, da meine Absichten lauter sind. Ich streite für das<br />

Reich. Darauf habe ich meine Soldaten eingeschworen. Darum<br />

folgen sie mir. Und ich habe sie zum Sieg geführt. Ich werde<br />

ihren Schwur nicht missachten und mich und meine Truppen<br />

einem anderen Befehlshaber unterwerfen. Ich bin bereit, Seite<br />

an Seite mit Irmegunde die Schlachten zu schlagen. Aber ich<br />

werde mich weder ihr noch sonst jemandem unterwerfen. Euch<br />

allen hier steht es frei, Eure Entscheidung zu treffen. Ich werde<br />

keinen zwingen, sich mir anzuschließen.“<br />

Nach seinen Worten herrschte für einen Moment Stille. Dann<br />

erhoben sich Torwulf, Hilgert und Goswin. Goswin sprach:<br />

„Wohlan, Vetter. Ihr habt klar gesprochen. Meine Entscheidung<br />

ist gefallen. Solange Ihr Euch nicht der Fürstin unterstellt,<br />

betrachte ich Euch als Feind des Reiches.“ Er blickte sich im<br />

Raum um, für einen Moment blieb sein Blick an Lefke hängen,<br />

doch als sie sich nicht rührte, nickte er nur. „So lasst uns gehen“,<br />

sagte er zu seinen beiden Begleitern. Mit einem letzten Blick in<br />

die Runde, verließ er den Saal. Hilgert und Torwulf folgten<br />

langsamer, jedoch ohne sich noch einmal umzuschauen.<br />

Answin erhob sich: „Der Familienrat ist beendet. Wir treffen<br />

uns zur nächsten Stunde zu einer Stabsbesprechung.“<br />

Lefke blieb auch noch an ihrem Platz sitzen, als Corelian,<br />

Helmbrecht und Ludeger sich ihrem Onkel anschlossen und

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