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Seite, Answin und Irmegunde. Sie mussten doch beide einsehen, dass<br />
nur gemeinsam das Blatt zum Guten gewendet werden konnte. „ Treue<br />
zur Familie kann ich verstehen und vergeben, nur Verrat werde ich niemals dulden.“<br />
Die Worte ihres Onkels hallten in ihrem Kopf nach. War es Verrat,<br />
wenn sie sich abwandte, um nach Rommilys zu gehen?<br />
Als sie vor Jahren nach Friedland gekommen war, war sie dort zunächst<br />
nur widerwillig geblieben, auch weil sie ihrem Oheim zürnte, in was<br />
für eine Situation er die Familie gebracht hatte. Doch inzwischen war<br />
Friedland ihr mehr zu einem zu Hause geworden als der Hof in<br />
Rommilys oder irgend ein anderer Ort es je gewesen war.<br />
Sie hatte Answin in Friedland als einen anderen Menschen kennen<br />
gelernt. Mit Weitblick und Mut hatte er die Freiherrschaft zu dem<br />
gemacht, was es war: eine trutzige, prosperierende Insel des<br />
Wohlstandes inmitten der Bedrohungen. Mit großem Weitblick hatte<br />
Answin den Sieg im Kampf um Burg Rabenmund errungen, hatte<br />
taktisches Geschick bewiesen und die Truppen durch seinen<br />
nimmermüden Elan und seine Zuversicht zum Sieg geführt. Lefke<br />
konnte verstehen, was seine Getreuen in ihm gesehen hatten, als er<br />
nach der Kaiserkrone gegriffen hatte, auch wenn sie seinen Thronraub<br />
noch immer nicht gutheißen konnte. Während der Jahre in Friedland<br />
war sie zur Überzeugung gelangt, dass Answin seine Taten bereute.<br />
Doch in diesen Tagen, ja, eigentlich schon seit Ludeger in Friedland<br />
aufgetaucht war, waren die Zweifel wieder aufgetaucht und mit ihnen<br />
die Erinnerungen an die Entführung, durch die sie als Kind in Answins<br />
Kampf um die Krone des Mittelreichs hineingezogen worden war.<br />
Für Answin war es ein geringer Preis gewesen für die Macht, die er<br />
erreichen wollte. Menschen wie sie waren in seinem Plan nur<br />
Randfiguren gewesen, ihr Schicksal war ihm gleichgültig gewesen, eine<br />
Folge notwendigen Handelns, die er kühl einkalkuliert hatte. Die<br />
Entführung von Ucurians Kindern hatte einen längst verschüttet<br />
geglaubten Hass wieder in ihr aufkeimen lassen. Und Bohemunds<br />
Verstrickung darin... Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken an ihn<br />
zu verdrängen.<br />
Zwar war sie ziemlich sicher, dass Answin von Ludegers Plänen keine<br />
Kenntnis gehabt hatte. Doch er weigerte sich, ihn für die Entführung<br />
der Kinder zur Rechenschaft zu ziehen, und machte sich damit seine<br />
Tat zu eigen. Der Zweck heiligt die Mittel, das wäre wohl ein<br />
zutreffendes Sprichwort. In seinem Sohn Ludeger hatte Answin<br />
jedenfalls einen treuen Verfechter dieses Mottos gefunden, der für ihn<br />
die Drecksarbeit, ohne mit der Wimper zu zucken, erledigen würde.<br />
Ihre Gedanken wanderten zu Corelian. Ihr Bruder würde treu zu<br />
Answin stehen, egal, welchen Weg dieser einschlagen würde, das<br />
jedenfalls war in ihrem Gespräch vorhin deutlich geworden. Selbst<br />
wenn sich ihre Befürchtungen bewahrheiteten, dass Ludeger seinen<br />
Vater dazu bringen würde, den Verlockungen der Macht zu erliegen<br />
und gen Gareth zu ziehen, würde Corelian nicht von seiner Seite<br />
weichen.<br />
„Treue zur Familie“, murmelte sie. Dann lachte sie bitter auf. Wenn es<br />
so einfach wäre, Familie zu definieren. Answin und Corelian waren<br />
ihre Familie gewesen, als sie am bittersten Beistand gebraucht hatte.<br />
Daran hätte Corelian sie gar nicht zu erinnern brauchen. Die Jahre in<br />
Friedland waren in ihrer Erinnerung ruhige und friedliche Inseln<br />
inmitten eines reißenden Stroms von Ereignissen. Der Gedanke, sich<br />
nach Rommilys aufzumachen, weil es zum Bruch der Rabenmunds<br />
gekommen war, und sich damit von Answin loszusagen, hatte jedenfalls<br />
den bitteren Beigeschmack des Verrats.<br />
Die trüben Gedanken wurden jäh unterbrochen, als eine bekannte<br />
Stimme sie ansprach: „Hier steckst du also. Ich habe dich schon überall<br />
gesucht.“ Lefkes Herz krampfte sich zusammen, als sie Bohemund<br />
Im Schatten des Raben<br />
auf sich zukommen sah. Einige widerspenstige Locken<br />
hatte sich über seine Stirn gelegt, die er nun mit lässigem<br />
Schwung wieder zu besänftigen suchte. Lefke folgte mit<br />
ihrem Blick seinen geschmeidigen Fingern, als er sich<br />
durch die dunklen Haare fuhr und heißes Verlangen<br />
durchflutete sie. Wie sehr sehnte sie sich jetzt nach dem<br />
süßen Vergessen, das die Liebe mit sich brachte. An das<br />
Danach wollte sie nicht denken, auch nicht an alles, was<br />
zwischen ihnen stand.<br />
Lefke stand auf und noch bevor er ansetzen konnte, etwas zu<br />
sagen, zog Lefke ihn stürmisch an sich heran. Nur für den Bruchteil<br />
einer Sekunde bemerkte sie sein überraschtes Zögern, bevor sich<br />
ihre Münder zu einem verlangenden Kuss trafen. Bohemunds Arme<br />
umschlangen die Prinzessin, die sich wild gegen seinen Körper<br />
drängte. Ihre Brüste drückten sich gegen seinen Oberkörper,<br />
während seine Hände sich um ihr Hinterteil legten. „Lass uns<br />
lieber in mein Gemach gehen“, keuchte Bohemund. Ohne ein Wort<br />
zu sagen, ergriff Lefke seine Hand, um ihn durch das Tor in den<br />
Burghof zu ziehen. Die neugierigen Blicke der geschäftig umher<br />
eilenden Soldaten beachtete sie nicht. Im Eilschritt liefen sie zu<br />
Bohemunds Kammer. Kaum war die Tür zugefallen, löste Lefke<br />
mit flinken Fingern Bohemunds Wams. Hemd und Hose folgten.<br />
Sie ließ sich einen Moment Zeit, um ihre Hände über seinen<br />
athletischen Körper gleiten zu lassen. Ihr Geliebter entzog sich ihr<br />
jedoch, um ihr die Robe über den Kopf zu ziehen. Auch das<br />
Unterkleid war schnell gefallen. Nun war er an der Reihe, ihren<br />
Körper mit den Händen zu verwöhnen. Mit sanftem Druck strich<br />
er über ihren Rücken, presste sie dabei an sich, bevor er sich<br />
ausgiebig den Rundungen ihres Hinterteils widmete. Lefkes Mund<br />
hatte inzwischen seine Brust gefunden, wo ihre Zunge um seine<br />
Brustwarzen kreiste. Bohemund hob sie vom Boden und trug sie<br />
bis zu seinem Bett...<br />
Sie lagen eng umschlungen. Schweigend schmiegten sie<br />
ihre Körper aneinander. Lange lagen sie so, bis<br />
Bohemund die stillen Tränen bemerkte, die über Lefkes<br />
Gesicht liefen. „Meine Liebste“, setzte er an, die Stimme<br />
kaum mehr als ein zärtliches Murmeln. Doch Lefke legte<br />
ihren Finger auf seine Lippen. „Sei still“, sagte sie leise,<br />
„ich muss jetzt gehen.“ Damit entzog sie sich ihm mit<br />
einem Ruck und griff nach ihrem Unterkleid. Bohemund<br />
richtete sich auf, der plötzliche Entzug der Nähe<br />
hinterließ ein Frösteln auf seiner Haut und sein Herz<br />
wurde ihm schwer. „Lefke, ich ...“ Sie schüttelte den<br />
Kopf. „Sag jetzt nichts“, unterbracht sie ihn wieder.<br />
Schnell streifte sie ihre Robe über. Sie drehte sich noch<br />
einmal kurz um, bevor sie die Tür öffnete und<br />
Bohemund verwaist zurückließ.<br />
Trotz der leidenschaftlichen Erfüllung, die sie in<br />
Bohemunds Armen gerade gefunden hatte, empfand sie<br />
eine entsetzliche Leere. Ein Teil von ihr sehnte sich<br />
danach, zu ihm zurück zu kehren, doch damit würde sie<br />
der Realität nicht entrinnen. Bohemund war Ludegers<br />
Mann. Er war Answins Sohn so treu ergeben, dass er<br />
nicht einmal vor der Entführung unschuldiger Kinder<br />
zurück schreckte.<br />
Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Dieses letzte<br />
Aufbäumen war ein Abschied gewesen. Ihr Weg lag nicht<br />
an der Seite ihres Onkels. Morgen würde sie mit Hilgert<br />
<strong>Thorwal</strong> <strong>Standard</strong> Nr. 17, Seite 89