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Myrkdag - Thorwal Standard

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Im Schatten des Raben<br />

den Thron streitig zu machen – und wie du mir selbst anvertraut<br />

hast, strebst du ja auch gar nicht danach. Sofern sich daran<br />

nichts geändert hat, kann ich nicht erkennen, warum meine<br />

Loyalität auf die Probe gestellt werden sollte. Andernfalls hast<br />

du völlig Recht: Ich kann und werde mich nicht gegen Ucurian<br />

und Irmegunde stellen. Du weißt auch, dass ich es zutiefst<br />

missbillige, dass du deine schützende Hand über Ludeger<br />

gehalten hast, als er Ucurians Kinder entführen ließ. Sollte dir<br />

das als Antwort genügen, werde ich meine Aufgabe weiterhin<br />

so gewissenhaft wahrnehmen, wie bisher auch.“ Obwohl sie<br />

sich bemühte, ruhig zu bleiben, war ihre Stimme in die Höhe<br />

gegangen. Answin hob begütigend die rechte Hand: „Ich zweifle<br />

nicht daran, dass du mir treu ergeben bist, mein Kind. Auch<br />

bin ich sicher, dass du mich nicht verraten wirst, selbst wenn<br />

du jemals gezwungen wärest, dich zwischen mir und deinen<br />

Geschwistern zu entscheiden. Ja, sogar eine Entscheidung<br />

zugunsten deiner Geschwister könnte ich dir nicht verdenken.<br />

Also, reden wir nicht mehr davon. Treue zur Familie kann ich<br />

verstehen und vergeben, nur Verrat werde ich niemals dulden.“<br />

Bei den letzten Worten erhob er leicht die Stimme; nicht<br />

bedrohlich, aber doch ausreichend, um die Wichtigkeit seiner<br />

Worte zu unterstreichen.<br />

„Du bist darüber orientiert, dass sozusagen ein kleiner<br />

Familienrat getagt hat?“ wechselte Answin das Thema. Lefke<br />

nickte und antwortete. „Soweit ich gehört habe, legen es Ludeger<br />

und Helmbrecht auf eine Konfrontation mit Irmegunde an.“<br />

Allzu weit hatten sie sich also doch noch nicht vom Thema<br />

entfernt.<br />

„Ich weiß, dass dein Vertrauen und deine Zuneigung zu Ludeger<br />

besonders angesichts der jüngsten Ereignisse geschwunden sind,<br />

sofern das überhaupt noch möglich war. Auch dein Bruder<br />

Corelian liegt mir beleidigt in den Ohren, dass ich meinem Sohn<br />

zu viel Gehör schenke. Ihr müsst verstehen, dass Ludeger<br />

wichtig für mich und für unsere Sache ist. Er kennt sich in den<br />

aktuellen Strukturen des Reiches aus und er hat viele Kontakte<br />

und Verbindungen. Schließlich hat er viele Jahre die Verbindung<br />

zu Graf Orsino und unseren anderen Freunden gehalten. Ich<br />

kann auf ihn nicht verzichten, auch wenn er ab und zu übers<br />

Ziel hinausschießt. Er hat sich als treuer und verlässlicher<br />

Verbündeter erwiesen. Mein ältester Sohn Barnhelm hingegen<br />

hat sich nie zu mir bekannt, selbst nicht im vertraulichen Kreis.<br />

Doch genug von Ludeger. Ich wollte vielmehr darauf hinaus,<br />

dass er meinen Enkel, sowie Goswin, Hilgert und Torwulf für<br />

unsichere Kandidaten hält. Nun, bei Torwulf wundert es mich<br />

nicht, er folgt dem Vorbild seiner seine Schwester Ismena, die<br />

dank des Einflusses ihrer Mutter kaum für mich Partei ergreifen<br />

wird. Goswins Haltung verstimmt mich aber nachhaltig.<br />

Schließlich verdankte mir sein Vater so einiges. Der Herr beliebt<br />

warm zu baden und er hat ein kurzes Gedächtnis. Und Hilgert<br />

folgt ihm in wie ein Hündchen nach. Ich glaube zwar nicht,<br />

dass einer der vier Dummheiten machen wird, aber achte in<br />

den nächsten Tagen besonders auf Goswin, Hilgert und<br />

Torwulf. Informiere auch Hagwulf, auf ihn kann man sich<br />

verlassen, wie du ja weißt.“<br />

Als Lefke ihren Onkel verließ, war sie immer noch aufgebracht<br />

über die dreiste Vorgehensweise ihrer Base. Die höfischen<br />

Intrigenspiele um Macht, Stellung und Einfluss waren ihr<br />

zutiefst verhasst. Sie selbst hatte nicht den Ehrgeiz, über den<br />

Dienst bei ihrem Onkel eine Machtstellung zu erringen oder<br />

<strong>Thorwal</strong> <strong>Standard</strong> Nr.17, Seite 80<br />

sich für die Zukunft Einfluss zu sichern. Im Gegenteil, ihr<br />

machte die Vorstellung, eine Position zu bekleiden, die sie<br />

dauerhaft an Answins Hof binden würde, geradezu Angst.<br />

Weder strebte sie danach, ein Staatsamt zu übernehmen, noch<br />

verstand sie den Reiz des höfischen Lebens, in dem Intrigen<br />

und das Buhlen um Vorteile stets gewärtig waren. Irmegunde<br />

und Answin oder auch Ucurian waren dafür geboren,<br />

Verantwortung für Land und Leute zu übernehmen und zu<br />

herrschen. Für Lefke hingegen war die Vorstellung, ihr Leben<br />

ganz dem Wohl und Wehe des Reiches zu widmen,<br />

beängstigend. In einer ausgeübten Herrschaft sah sie mehr die<br />

Bürde als die Möglichkeiten, die sich ihr boten. Wohl war sie<br />

gerne bereit, ihren Teil zum Glück Darpatiens oder nunmehr<br />

auch Friedlands beizutragen, so hatte sie nicht einen Augenblick<br />

gezögert, ihren jetzigen Auftrag anzunehmen und ihren Onkel<br />

als Leibmagierin auf diesem Feldzug zu begleiten, ihre Freiheit<br />

jedoch gegen eine dauerhafte Stellung einzutauschen, erschien<br />

ihr undenkbar.<br />

Lefke stützte ihre Ellbogen auf einen Fenstersims und schaute<br />

gedankenverloren dem Treiben im Burghof zu. Was Hagwulf<br />

wohl gerade machte? Erblicken konnte sie ihn nicht. Er diente<br />

schon seit Jahren als Leibwächter den Rabenmunds und hatte<br />

somit seine Freiheit für diesen Dienst aufgegeben. Sie hatte<br />

aber noch nie den Eindruck gehabt, dass er seine Stellung<br />

missbraucht hätte, um sich einen persönlichen Vorteil zu sichern.<br />

Lefke war sich sicher, dass Rahjanda im Gegensatz zu ihm nicht<br />

gezögert haben würde, den Einfluss ihrer Herren gezielt für<br />

ihr eigenes Fortkommen zu nutzen, gleich ob es dazu notwendig<br />

war, Menschen gegeneinander auszuspielen oder dunkle Intrigen<br />

zu spinnen.<br />

Aus dem Augenwinkel nahm Lefke wahr, dass einige<br />

Bedienstete den Gang entlang kamen. Sie wappnete sich, notfalls<br />

einzugreifen, sollte sich einer der Diener verdächtig verhalten.<br />

Doch die Gruppe erwies sich als harmlos. Lefkes Spannung<br />

wich. Wieder wanderten ihre Gedanken zu Hagwulf. Während<br />

sie sich an ihre Leibwachentätigkeit noch immer gewöhnen<br />

musste, war ihm dies in Leib und Blut übergegangen: Ständig<br />

wachsam sein, sich nicht gehen lassen, die Sinne immer offen<br />

für Ungewöhnliches. Oftmals fragte sie sich, ob sie dieser<br />

Aufgabe wirklich gewachsen war. In ihren Alpträumen sah sie<br />

Answin am Boden liegen, von Mörderhand und finsterer Magie<br />

bedroht, während sie selbst hilflos daneben stand.<br />

Vielleicht sollte sie freiwillig ihrem Onkel ihre Demission<br />

anbieten. Rahjanda war eine erfahrene Magierin, die durch ihre<br />

Garether Ausbildung in der magischen Verteidigung besser<br />

bewandert war. Da sie nach Höherem strebte und sie sich<br />

offenbar viel von einer solchen Aufgabe versprach, würde sie<br />

diese sicherlich mit größtem Eifer und höchster Sorgfalt<br />

erledigen. Zudem befürchtete Lefke, nicht zuletzt seit dem<br />

Streit, den sie mitangehört hatte, dass der Konflikt mit Königin<br />

Rohaja und Irmegunde unausweichlich war. Ucurian würde sich<br />

– wenn auch zähneknirschend – auf die Seite der Schwester<br />

stellen. Zwar war ihr Onkel mit seinen Truppen in der Lage,<br />

Darpatien und dem Reich in ihrer Not zu helfen, doch nur,<br />

wenn Rabenmunds und das Haus Gareth gemeinsam die<br />

Bedrohung der Schwarzen Lande zurückschlugen. Die Folgen<br />

eines Alleingangs ihres Onkels, wenn dieser gar tatsächlich<br />

erneut der Versuchung der Macht erliegen sollte, mochte Lefke<br />

sich lieber nicht ausmalen. Denn aller Bedrohung durch die

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