HOLLY-JANE RAHLENS
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Zwei Stunden später wurde ich wach und ging Nelly suchen. Ich fand sie mit<br />
Max, einem Jungen aus der Highschool, der Länge nach auf unserem Sofa.<br />
Mucksmäuschenstill sah ich eine Weile zu, wie die zwei Trigonometrie machten. Ich<br />
glaube, damals habe ich zum ersten Mal begriffen, dass es Sachen im Leben gibt,<br />
die einfach interessanter sind, als zu schlafen.<br />
Nelly in New York zu besuchen war meine Idee gewesen. Ulf Krauss, der<br />
Verleger meiner Mutter, wollte sie auf eine Lesereise schicken, aber sie hatte<br />
abgelehnt – »wegen Renée«, wie sie sagte.<br />
Also, die Sache stellte ich natürlich sofort klar!<br />
»Um mich mach dir keine Sorgen«, sagte ich zu ihr. »Es wird dir gut tun, mal<br />
rauszukommen.«<br />
»Mir gut tun?«<br />
»Ach Mama, bitte! Du weißt genau, was ich meine!«<br />
Erstaunlicherweise gab meine Mutter nicht nur für die Lesereise grünes Licht,<br />
sondern auch für meinen New-York-Besuch bei Nelly. (Vermutlich hatte sie Nelly nie<br />
auf unserem Sofa beim Trigonometriemachen erwischt.)<br />
Kaum hatte meine Mutter sich entschieden, nahmen ihre amerikanischen<br />
Freundinnen, Becky Bernstein und Nellys Mutter, Lucy Bloom-Edelmeister, sie zu<br />
einem Einkaufsbummel mit. Zur Lesereise wollten sie meine Mutter endlich von<br />
ihrem Waldorflehrerin-Look befreien, den sie in den letzten Monaten angenommen<br />
hatte. Lucy hat einen wahnsinnig guten Geschmack, und Becky, deren zweiter Name<br />
»Schnäppchen« lautet, weiß immer, wo’s die besten Klamotten zu den günstigsten<br />
Preisen gibt. Sie versuchten ihr Bestes, den Modesinn meiner Mutter wieder zu<br />
erwecken, aber leider ohne großen Erfolg. Immerhin schafften sie es, sie mir eine<br />
Zeit lang vom Hals zu halten – Luft!<br />
New York! Vier ganze Wochen lang würde ich das ewige Tap-Tap-Tappeti-Tap<br />
meiner Mutter auf den Computertasten nicht ertragen müssen. Ihre schlechte Laune,<br />
ihre wallenden Capes, ihre blumengemusterten Hosen und vor allem ihren<br />
zerschlissenen Frotteebademantel, den sie tagein, tagaus trug. Igitt. Vielleicht würde<br />
sie ja sogar so vernünftig sein, ihn in meiner Abwesenheit wegzuwerfen.<br />
»Was stört dich an meinem Bademantel?«, wollte meine Mutter wissen. »Beim<br />
Arbeiten will ich es bequem haben.«<br />
»Dann zieh einen Jogginganzug an oder so was«, sagte ich. »Ich meine, ich<br />
komme aus der Schule und du läufst immer noch im Bademantel rum. Ich kann