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HOLLY-JANE RAHLENS

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»Du bist so nervös heute Morgen.«<br />

Sie zuckte mit den Schultern. »Lesereisen sind anstrengend.«<br />

Wem sagte sie das. Die vergangenen vier Tage waren wir die Provinz einmal<br />

rauf und runter getourt, hauptsächlich im Osten, kreuz und quer, von Süd nach Nord<br />

und von Nord nach Süd. Am Sonntag waren wir von Berlin nach Leipzig gefahren.<br />

Am Montag reisten wir dann wieder Richtung Norden nach Magdeburg. Am Dienstag<br />

nahmen wir den Zug und fuhren eine Stunde südwestlich nach Halberstadt. Gestern<br />

waren wir in Tangermünde. Die Reise war eine nicht enden wollende Folge von<br />

größeren und kleineren Städten, Hotels und Bahnhöfen. Gut, dass meine Mutter mir<br />

ihre Kamera gegeben hatte. So wusste ich zumindest immer, wo ich in der Nacht<br />

zuvor gewesen war – wenn ich mich denn erinnern wollte. Ich schloss die Augen, um<br />

mich auf die Kings of Prussia zu konzentrieren.<br />

Lying by the dying Veilchen<br />

I try with all my might<br />

To bring back our garden of delight.<br />

Ich schaute wieder auf den Plan, strich alle Orte durch, in denen wir schon gewesen<br />

waren, und studierte die kommenden. Morgen ging’s nach Mannheim. Dann<br />

Hamburg. Am Sonntag würden wir nach Nordosten fahren, nach Zingst auf dem<br />

Darß. Darauf folgte der bayerische Teil der Reise. München. Und schließlich eine<br />

ganze Woche auf Schloss Koppenbach, eineinhalb Zugstunden von München<br />

entfernt in den Alpen. Im Schloss fand eine Tagung statt, an der meine Mutter<br />

teilnehmen würde. Außerdem hatte sie noch ein paar Lesungen in der näheren<br />

Umgebung.<br />

Ich wickelte einen Big Red aus und schob ihn mir in den Mund.<br />

Wie konnte mir das passieren? Mir, Renée Bella Brody? Wie konnte ich mich<br />

drei ganze Wochen von einem Bummelzug zum nächsten schleppen lassen, der uns<br />

von einer grauen, grässlichen Stadt zum nächsten Kuhkaff brachte. Drei Wochen<br />

lang Koffer ein- und auspacken, marode Hotelbetten, das Schnarchen meiner Mutter,<br />

ihr Atmen in meinem Rücken. Drei Wochen lang mit anhören, wie Dr. Mom<br />

zermürbten Eltern erzählt, wie sie sprechen müssen, damit die Kinder ihnen zuhören,<br />

und wie sie zuhören müssen, damit die Kinder mit ihnen sprechen.<br />

Ich drehte die Musik etwas lauter:

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