HOLLY-JANE RAHLENS
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»Es schmeckt mir nicht, das ist alles«, sagte ich und verzog das Gesicht beim<br />
Anblick des halb verspeisten, von Apfelmus durchweichten und<br />
mikrowellenverstrahlten Kartoffelpuffers.<br />
»Du bist doch nur Haut und Knochen«, sagte Oma Ulli. Sie sah wieder meine<br />
Mutter an. »Habt ihr euch eigentlich ständig in der Wolle?«<br />
Mir war nicht ganz klar, wen sie das fragte.<br />
»Ich wusste, dass du wieder damit anfangen würdest, Mutti«, sagte meine<br />
Mutter. »Überlass das mir. Okay? Uns geht’s gut. Alles im grünen Bereich. Es ist nur<br />
... nur ...« Sie sah mich an. »Es ist nur die Pubertät.«<br />
»Die Pubertät?«, schrie ich auf. »Und was ist mit dir? Vielleicht sind die<br />
Wechseljahre schuld!«<br />
»Hört auf, ihr beiden«, sagte Oma Ulli.<br />
»Mutti, bitte!«, sagte meine Mutter streng.<br />
Oma Ulli achtete nicht auf sie und nahm meine Hände. Ihre waren warm. Und<br />
stark. »Wie geht es dir?«, fragte sie leise, fast flüsternd. Sie sah mich forschend an.<br />
Und plötzlich fühlte ich den harten Klumpen in meinem Hals. Größer als je<br />
zuvor.<br />
»Ach, meine kleine Schnecke«, sagte sie und strich mir über die Wange.<br />
Ich nahm all meine Kraft zusammen, um den Klumpen herunterzuschlucken.<br />
Meine Großmutter schien das zu spüren, denn sie legte mir eine Hand in den Nacken<br />
und drückte mit der anderen vorsichtig auf meinen Brustkorb. »Du musst es<br />
herauslassen. Du musst wieder anfangen zu atmen.«<br />
Ich holte tief Luft – aber nicht, weil sie das wollte, sondern weil ich nur so die<br />
Tränen unterdrücken konnte.<br />
»Renée«, sagte Oma Ulli, »deine Mutter will dich nicht unter Druck setzen, aber<br />
...«<br />
»Hör auf damit!«, fauchte meine Mutter. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich<br />
nicht ...«<br />
»Was hat sie dir erzählt?«, fragte ich meine Oma. »Was?«<br />
»Sie hat mir gar nichts erzählt. Außerdem hätte sie mir nichts erzählen können,<br />
was ich nicht ohnehin schon wüsste.« Meine Großmutter drückte meine Hand.<br />
»Schneckelchen«, sagte sie, »du musst es rauslassen. Wenn du es nicht rauslässt,<br />
wird der Schmerz für immer an deinem Herzen nagen.«