HOLLY-JANE RAHLENS
HOLLY-JANE RAHLENS
HOLLY-JANE RAHLENS
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fritzi und ich waren mal befreundet. Meine Mutter erzählt gern, wir seien schon<br />
Freundinnen gewesen, als wir noch nicht mal auf der Welt waren, weil sie zusammen<br />
mit Fritzis Mutter den Geburtsvorbereitungskurs gemacht hat. Auch danach waren<br />
unsere Mütter wie ein Team. Zwangsläufig verbrachten Fritzi und ich ebenfalls viel<br />
Zeit miteinander. Was wir ganz schön fanden. So richtig eng wurden wir jedoch erst<br />
als Teenager, als aus unserer Liebe zu Märchenprinzen eine Leidenschaft für Könige<br />
wurde, sprich: für die Kings of Prussia. Die größte Rockband aller Zeiten in<br />
Deutschland, Europa, sämtlichen anderen Kontinenten und dem Rest des<br />
Universums. Darüber waren wir uns einig. Strittig war nur, wer der bessere Musiker<br />
war: Leadsänger und Songwriter Gregor Rogatzki, alias The Great Gatzki (meine<br />
allererste Wahl), oder Komponist und Gitarrist Arno Noni Nissen (Fritzis Favorit).<br />
Also, obwohl wir in verschiedene Schulen gingen – Fritzi in die Churchill, die<br />
deutsch-britische Schule, und ich in die Twain, die deutsch-amerikanische –, wir<br />
waren gute Freundinnen. Vielleicht wären wir sogar beste Freundinnen geworden.<br />
Aber letzten Herbst war es dann plötzlich vorbei.<br />
»Du wärst bestimmt Erste geworden«, sagte Philipp. »Du bist schneller als<br />
jedes Churchill-Mädchen.«<br />
Ja, das stimmt. Ich bin tatsächlich schnell. Ich wusste aber nicht, dass er das je<br />
bemerkt hätte. Mein Magen schlug einen dreifachen Salto.<br />
Ich betrachtete Philipp genauer. Trotz seiner Narbe quer durch die Augenbraue<br />
– oder vielleicht gerade deswegen – war er das perfekte männliche Titelmodel.<br />
Hinreißend, aber nicht makellos. Sein Körper war kräftig, aber nicht von<br />
hochgetunten Muskeln verunstaltet, die sich bei der kleinsten Bewegung aufblähen.<br />
Trotzdem sahen seine Arme stark aus. Nur sein Haar war einen Tick zu kurz. Unser<br />
Schwimmtrainer, Herr Trockenbrodt, hatte Philipp zwei Wochen zuvor überredet, sich<br />
die blonden Dreadlocks abzuschneiden. Er sagte, er hätte sie lange genug geduldet,<br />
aber sie würden das Ergebnis der ganzen Mannschaft verschlechtern. Ich glaube,<br />
Herr Trockenbrodt hat damit übertrieben, aber Philipp zeigte außerordentlichen<br />
Teamgeist und ließ sich die Haare schon am nächsten Tag abschneiden.<br />
Nach Philipps Bemerkung über das Churchill-Wettschwimmen quatschten wir<br />
ein bisschen über unsere Ferienpläne. Ich erzählte von meiner geplanten New-York-<br />
Reise und er, dass er eine Sprachschule in Barcelona besuchen würde. An mehr<br />
erinnere ich mich nicht. Die dreifachen Saltos lenkten mich wahrscheinlich zu sehr<br />
ab. Oder ich war von Philipps Erscheinung so geblendet, dass ich mich nicht mehr an