HOLLY-JANE RAHLENS
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jedes Detail erinnere. Er trug nämlich eine neonorangefarbene Weste – so eine, die<br />
sonst Bauarbeiter haben, oder Bergleute, oder Männer, die Bahngleise reparieren –,<br />
und diese Weste war so grell, dass vor meinen Augen Punkte tanzten.<br />
Eine Woche später geschah es dann also, beim Schwimmtraining. Ich war<br />
bereits seit mehr als fünfundvierzig Minuten im Wasser, hatte Bahn um Bahn<br />
zurückgelegt, Runde für Runde, Zug um Zug.<br />
Wenn ich schwimme, passiert etwas in mir. Nach ein paar Minuten bin ich<br />
plötzlich ganz woanders. Schwer zu sagen, wo, aber es ist ein Ort, an dem ich mich<br />
immer weiter vorwärts bewege, irgendwohin, wo alles von mir abfällt – Tageszeit,<br />
Kopfschmerzen, Sorgen – und ich Teil des Wassers werde, des Lichts, des mich<br />
umgebenden dumpfen Lärms.<br />
konnte.<br />
Ich liebe das. Und brauche es inzwischen auch. Mehr als ich mir je vorstellen<br />
Aber es ist anstrengend. Körperlich. Und geistig. Nach dem Schwimmen<br />
brauche ich immer ein paar Minuten, um wieder in der Erdatmosphäre anzukommen.<br />
An jenem Montag setzte ich mich neben die Leiter auf den Beckenrand, ganz in der<br />
Nähe des Springturms und ließ die Beine im Wasser baumeln. Das war die beste<br />
Methode, um wieder zu mir zu kommen. Und die beste Methode so zu tun, als würde<br />
ich meinen eigenen Gedanken nachhängen, während ich doch eigentlich Philipp bei<br />
seinen Sprüngen vom Dreimeterbrett beobachtete. Ich sah zu, wie er zuerst einen<br />
gestreckten Kopfsprung rückwärts machte, und dann einen Delfinsalto, beide Male<br />
stand er auf dem Sprungbrett rücklings zu mir und dem Becken. Ob er überhaupt<br />
wusste, dass ich ihn beobachtete? Beim dritten Sprung stand er mit dem Blick nach<br />
vorn. Himmel, sah der gut aus in seinen schwarzen Stretchshorts! Geschmeidig und<br />
selbstbewusst. Die meisten Jungs in der Schwimm-AG tragen knappe Badehosen,<br />
die aussehen wie Bikini-Unterteile. Thanks, but no thanks.<br />
Egal, nun stand Philipp also auf dem Sprungbrett, gerade wollte er springen –<br />
da drehte er seinen Kopf nach links und warf mir einen Blick zu. Wusch! – breitete<br />
sich eine Wärmewelle in meinem Körper aus, vom Bauch bis in die Brust. War ich<br />
froh, dass ich meinen schwarzen Badeanzug trug, und nicht den roten. Der<br />
Schwarze sitzt um den Busen einfach besser.<br />
Mit einem gestreckten Auerbach schoss Philipp ins Wasser, kam wieder hoch,<br />
kraulte zu der Leiter auf der anderen Beckenseite und stieg aus dem Wasser.