HOLLY-JANE RAHLENS
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Als der Zug weiter Richtung Hannover fuhr, setzte ich mir wieder Kopfhörer auf und<br />
hörte Let Me Be Your Heinzelmännchen. Das war einer meiner Lieblingssongs von<br />
der ersten CD Work Through the Night. Der CD, die die Band über Nacht in die<br />
internationalen Charts gebracht hatte.<br />
Let me be your Heinzelmännchen<br />
I can be so fine and handsome<br />
Let me find some wood for you<br />
Light your fire the whole night through<br />
Loving you the whole night through.<br />
Oooo. Oooo.<br />
Mein Vater machte sich über Gatzki und Co. gerne lustig. Ich werde nie vergessen,<br />
wie er eines Abends vor ungefähr fünf Jahren nach Hause kam und zu meiner Mutter<br />
und mir sagte: »Heute waren ein paar Berliner Jungs im Studio. Nennen sich die<br />
Kings of Prussia. Die machen mich krank. Musik wie ’ne Endlosschleife. Immer die<br />
gleichen drei Akkorde und ein paar läppische Na-Na-Na-Harmonien dazu. Kings of<br />
Prussia, wenn ich das schon höre … Königliche Furzkanonen, das würde passen!«<br />
Er zog sich die Schuhe aus. »Und dann musste ich mir den ganzen Tag diese<br />
bescheuerten Texte anhören. Jeder Kirchenchor hat geistreichere Sachen drauf.«<br />
Er lag auf dem Sofa, legte die Füße auf die Polster und den Kopf in den Schoß<br />
meiner Mutter. »Aber die werden wie eine Bombe einschlagen«, sagte er. »Damit<br />
muss ich leben.« Er hob seinen Kopf und sah mich an. »Ihr Grünschnäbel werdet die<br />
Texte für tiefgründig halten.« Er verdrehte die Augen, griff nach der Fernbedienung<br />
und stellte klassische Musik an – zur Beruhigung. Rock und Pop, das war sein Job,<br />
aber zu Hause hörte er nur Mendelssohn Bartholdy, Schumann und Chopin. Er liebte<br />
sie alle. Vor allem Chopin. »Ich kann mich nicht länger konzentrieren«, sagte meine<br />
Mutter und ließ sich in den Sitz zurückfallen. Sie nahm ihre Brille ab und rieb sie mit<br />
einem Tuch sauber.<br />
Ich schloss die Kamera an ihrem Laptop an. Ich wollte für Philipp ein hübsches<br />
Foto von mir aussuchen.<br />
»Hoffentlich ist es keine Migräne«, sagte meine Mutter und rieb Daumen und<br />
Zeigefinger auf ihrer Nasenwurzel. Dann langte sie in ihre Tasche und zog eine<br />
kleine Flasche Mineralwasser und eine Packung Kopfschmerztabletten heraus.