HOLLY-JANE RAHLENS
HOLLY-JANE RAHLENS
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»Es reicht, Renée! Es reicht. Nein! End of story!«<br />
Meine Mutter massierte sich leidvoll die Stirn. Geschah ihr nur recht. Warum<br />
war sie so vernagelt? Und warum trug sie um acht Uhr abends immer noch diesen<br />
miefigen Bademantel?<br />
»Wir haben das alles x-mal durchgekaut!« Ungeduldig sprang meine Mutter<br />
vom Tisch auf und räumte die Gläser ab. Dabei schwappte ein Rest Wein auf ihren<br />
Bademantel.<br />
»Warum lässt du dir nichts sagen?«, sagte ich.<br />
Meine Mutter knallte die Gläser auf den Tresen und ich hörte einen Knacks. Sie<br />
drehte sich zu mir. »Ich soll mir etwas sagen lassen? Ich? Und was ist mit dir? Du<br />
bist fünfzehn! Wenn hier jemand etwas gesagt kriegt, dann du! Ich kann dich nicht<br />
allein in der Stadt lassen. Wenn etwas passiert, das würde ich mir nie verzeihen.«<br />
»Was soll schon passieren?«<br />
Sie fuhr herum, stürzte sich auf das Spülbecken und drehte das Wasser an. Mit<br />
einem angefeuchteten Lappen versuchte sie den Weinfleck aus dem Bademantel zu<br />
rubbeln. Dann kam sie wieder zum Tisch, griff sich einen Teller und ging zum<br />
Geschirrspüler.<br />
»Du behandelst mich wie ein Kind!«, schrie ich.<br />
Mit dem Teller in der Hand drehte sie sich wieder zu mir und schrie noch lauter<br />
zurück: »Weil du eins bist!«<br />
»Daddy hätte mir erlaubt, allein hier zu bleiben! Das weiß ich. Das weiß ich<br />
ganz genau!«<br />
Beim Wort Daddy brachen alle Dämme. Ich sprach es so gut wie nie aus. Und<br />
als ich hörte, wie dieses Daddy einfach so aus meinem Mund purzelte, ungebeten,<br />
dachte ich, ich würde zerspringen. Wie das Glas auf dem Tresen. »Warum bist nicht<br />
du gestorben?«, rief ich. »Warum musste er sterben? Warum er? Warum Daddy?«<br />
Meine Mutter erstarrte. Noch immer hielt sie den Teller in der Hand.<br />
Schweineknochen und Fettaugen schwammen in einer Lache rötlicher Soße.<br />
Obenauf lagen eine Gabel und ein Messer. Meine Mutter öffnete den Mund, aber<br />
nichts kam heraus.<br />
Und dann sah ich, dass sie Tränen in den Augen hatte.<br />
Angewidert, wütend, drehte ich mich um und stürmte aus der Küche. Hinter mir<br />
hörte ich, wie Messer und Gabel vom Teller rutschten. Scheppernd landeten sie auf<br />
dem Fliesenboden.