HOLLY-JANE RAHLENS
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»Vielleicht kann Oma Ulli die Kopfschmerzen wegmassieren«, sagte ich.<br />
Meine Mutter verzog das Gesicht. »Ich wette, sie wird es versuchen.«<br />
Ich wandte mich wieder dem Laptop zu. Staunend sah ich zu, wie ein Foto nach<br />
dem anderen auf dem Bildschirm erschien, ein Wasserfall aus Bildern. Faszinierend.<br />
Die letzten Bilder zeigten eine Kirche, die ich noch nie gesehen hatte, und dann<br />
eine Orgel.<br />
»Wo war das denn?«, fragte ich.<br />
Meine Mutter beugte sich vor. »Der Dom in Magdeburg. Du hattest keine Lust<br />
mitzukommen, erinnerst du dich?«<br />
Das tat ich. Es klingt noch in meinen Ohren, wie ich sagte: »Ich geh doch sonst<br />
nie in die Kirche, warum also in den Ferien?« Während sich meine Mutter als<br />
Freizeithistorikerin im Magdeburger Dom betätigte, war ich auf der Suche nach einer<br />
Lippenvergrößerungscreme gewesen, hatte LipLuv gefunden und ging dann in<br />
unserem Hotelpool schwimmen.<br />
Schließlich fand ich im Laptop ein schönes, ziemlich untypisches Porträt von<br />
mir. In Gedanken versunken sitze ich da, schaue in die Ferne, weder lächelnd noch<br />
ernst. Einfach da. Nachdenklich. Ich mochte es sehr, auch wegen des vielen Rosa<br />
und Rot. Ich trug mein rosa geblümtes rückenfreies Top und die roten<br />
Glitzerohrringe, die Fritzi mir letzten Sommer aus London mitgebracht hatte. Und ich<br />
sitze<br />
vor einem riesigen Erdbeereisbecher. Alles war rosa, sogar meine Wangen. Und<br />
mein Lippenstift. Das Bild haben wir am Donnerstag in einem Café in Halberstadt<br />
gemacht, wo meine Mutter mich praktisch gezwungen hatte, das alte jüdische Viertel<br />
mit ihr anzuschauen.<br />
»Ich hab keine Lust!«, hatte ich im Pensionszimmer protestiert. »Alte Häuser<br />
anglotzen ist öde.«<br />
»Mensch, Renée, sei nicht so vernagelt! Das ist doch deine Geschichte.«<br />
Und sie meinte nicht die deutsche Geschichte. Sie meinte meine. Die<br />
Geschichte meiner Familie. Ein Teil meiner Ururgroßeltern väterlicherseits, Benjamin<br />
und Alma Nussbaum, stammten nämlich aus Halberstadt.<br />
»Keiner von meinen Freunden muss auf den Spuren seiner Ahnen rumlatschen!<br />
Warum ich?«, widersprach ich. »Du brauchst doch nur Stoff für deine blöden<br />
Kolumnen! Renée buddelt nach ihren Wurzeln oder so was.«<br />
»Unsinn! Du bist einfach nur stur.«