11.08.2012 Aufrufe

HOLLY-JANE RAHLENS

HOLLY-JANE RAHLENS

HOLLY-JANE RAHLENS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

formlosen Leinenkleid und dem langen Chiffonschal. »Du, meine Liebe, bist<br />

eigentlich in der Dekolleté-Phase.«<br />

nicht?«<br />

»Mutti, bitte!«, sagte meine Mutter. »Ich bin auf Lesereise, verstehst du das<br />

Meine Großmutter und ich warfen uns Blicke zu, aber ich hing bald meinen<br />

eigenen Gedanken nach. Der genervte Ton meiner Mutter kam mir bekannt vor. Und<br />

dann ging es mir schlagartig auf. Natürlich. Sie klang genau wie ich.<br />

»Schau dir ihre Augen an, Edda. Das sind die von Papa. Und seine hohen<br />

Wangenknochen hat sie auch.«<br />

Meine Mutter blickte von ihrem Reiseplan auf. »Hmm, ja«, sagte sie, in<br />

Gedanken ganz woanders. Sie sah auf die Uhr an der Wand. »In zwanzig Minuten<br />

müssen wir los, Mutti.«<br />

»Und diese Haare«, sagte meine Oma und fuhr mir durch meine dunklen<br />

Haare. »Solche tollen Haare. Und die ganze Mundpartie. Die Lippen, feine schmale<br />

Lippen, genau wie er.«<br />

»Schmale Lippen!«, schrie ich beleidigt auf. »Du hast doch einen Knick in der<br />

Optik! Ich hab volle Lippen!«<br />

»Ich glaube, Mutti«, sagte meine Mutter, »da bist du ins Fettnäpfchen<br />

getreten.«<br />

»Hältst du dich da bitte raus?«, sagte ich zu meiner Mutter.<br />

Ihre Augen wurden ganz groß. Die meiner Oma womöglich noch größer. Sie<br />

zog mich an sich. Sie roch gut. Wie unser Weichspüler mit Apfelblüten- und<br />

Vanilleduft.<br />

»Renée, du bist eine große Schönheit«, sagte Oma Ulli. »Selbst wenn du<br />

deinem Opa ähnlich siehst, Gott hab ihn selig.«<br />

Oma Ulli sah meine Mutter an.<br />

Meine Mutter schaute weg.<br />

»Vielleicht sollte ich euch zwei allein lassen, damit ihr in Ruhe über mich reden<br />

könnt«, sagte ich.<br />

»Renée«, begann meine Mutter.<br />

»Edda!«, unterbrach meine Großmutter. »Lass mich mal.« Sie zeigte auf<br />

meinen Teller. »Du hast ja kaum was gegessen, Renée.« Sie sah meine Mutter an.<br />

»Edda, isst sie immer wie ein Spatz?«

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!