HOLLY-JANE RAHLENS
HOLLY-JANE RAHLENS
HOLLY-JANE RAHLENS
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Oma Ulli hatte vor ein paar Monaten ihre gebrechliche alte Tante Martha bei<br />
sich aufgenommen, nachdem Martha, die allein lebte, schwer gestürzt war.<br />
»Da gibt’s doch keinen Platz für mich«, sagte ich zu meiner Mutter. Ich liebe<br />
meine Oma Ulli, aber der Gedanke daran, drei Wochen lang bei ihr auf der<br />
Wohnzimmercouch zu schlafen, behagte mir überhaupt nicht.<br />
»Das kommt alles so kurzfristig. Wir haben keine große Wahl«, sagte meine<br />
Mutter. Dann schwieg sie einen Moment und holte tief Luft. »Und was ist mit Alina<br />
und ihrer Mutter? Vielleicht kannst du mit ihnen in den Urlaub fahren.«<br />
»Alina?«, fragte ich ungläubig. »Alina?«<br />
Meine Mutter wusste wirklich nicht mehr weiter. Sie war alles andere als ein<br />
Alina-Fan. Wir hatten letztes Weihnachten sogar einen kleinen Streit wegen ihr. Es<br />
ging um Sex. Wir hatten auch vorher schon über Sex gesprochen. Immerhin ist Dr.<br />
Mom ja Ehrenpräsidentin im Club der Großartigsten Mütter der Welt, und wie jedes<br />
Mitglied dieses Clubs glaubt sie, die Erfindung der Aufklärung ginge ganz allein auf<br />
sie zurück. Doch es war das erste Mal, dass sie sich dabei über mich ärgerte. In<br />
einem schwachen Moment war ich so dumm gewesen und hatte meiner Mutter<br />
erzählt, dass Alina schon mit einem Jungen geschlafen hatte.<br />
»Und Alinas Mutter fand das total in Ordnung«, hatte ich erzählt. »Sie ist so<br />
cool, sie ist sogar mit Alina zum Arzt gegangen, um ihr die Pille verschreiben zu<br />
lassen.«<br />
»Das nennst du cool?«, sagte meine Mutter.<br />
Ich sah meine Mutter erstaunt an, sie war sonst nicht so schnell mit ihrem Urteil.<br />
»Alina ist erst vierzehn«, sagte sie. Sie fühlte sich verpflichtet, mir eine<br />
Erklärung zu geben. »Das ist einfach zu früh.«<br />
»Wer sagt das?«<br />
Die Augen meiner Mutter verengten sich.<br />
»Und wenn sie will?«, setzte ich noch eins drauf.<br />
Nun weiteten sich ihre Augen.<br />
Vielleicht war ich zu weit gegangen.<br />
»Renée, willst du mir damit zu verstehen geben, dass du es willst?«, fragte sie.<br />
Oh nein! Wieso hatte ich dieses Thema überhaupt angeschnitten? Am liebsten<br />
hätte ich mich in Luft aufgelöst. Auf der Stelle. Ich konnte mit ihr nicht über Sex<br />
reden. Mit Alina ja. Und mit Fritzi. Sogar mit Frau Grubmann. Aber nicht mit Dr. Mom!<br />
Ich sah schon die Überschrift ihrer Kolumne vor mir: ›Sex‹, sagte sie!