ultreïa - Schweizerischen Vereinigung der Freunde des Jakobsweges
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ROCH, ROCHUS, ROCCO<br />
Die „kleinen Brü<strong>der</strong>“ <strong>des</strong> heiligen Jakobus<br />
Wallfahrt nach St-Josse-sur-Mer. Der Volksheilige Rochus<br />
Pilgerorte sind Brücken zwischen<br />
Himmel und Erde. Im Mittelalter<br />
wurde zu den verschiedensten grösseren<br />
und kleineren Wallfahrtsorten<br />
gepilgert. Beson<strong>der</strong>s beliebt<br />
waren Grabstätten von Heiligen.<br />
Diese „heiligen Orte“ übten eine geradezu<br />
magische Anziehungskraft<br />
aus. Menschen suchten sie auf, weil<br />
den Gebeinen, dem Bild o<strong>der</strong> sonst<br />
einem Objekt in Verbindung mit<br />
<strong>der</strong> als heilig verehrten Person eine<br />
wun<strong>der</strong>tätige Wirkung zugeschrieben<br />
wurde. Einer <strong>der</strong> neben Santiago<br />
und Rom meist besuchten Pilgerorte<br />
<strong>des</strong> Mittelalters war die Benediktinerabtei<br />
St-Josse-sur-Mer mit<br />
den Reliquien <strong>des</strong> hl. Jost.<br />
Saint-Josse-sur-Mer<br />
Die Verehrung <strong>des</strong> heiligen Jost<br />
begann schon bald nach <strong>des</strong>sen<br />
Tod ums Jahr 669 in <strong>der</strong> von ihm<br />
gegründeten Einsiedelei Runiac<br />
an <strong>der</strong> französischen Kanalküste.<br />
Angesichts <strong>des</strong> Zustroms von Pilgern,<br />
die Jost verehrten, wurde unter<br />
<strong>der</strong> Herrschaft Karls <strong>des</strong> Grossen<br />
gegen Ende <strong>des</strong> 8. Jh. über seinem<br />
Grab ein Kloster erbaut. Noch<br />
heute heisst das Dorf, das sich um<br />
das in <strong>der</strong> Französischen Revolution<br />
zerstörte Kloster in <strong>der</strong> Picardie<br />
bildete, Saint-Josse-sur-Mer. Die<br />
Verehrung Josts verbreitete sich<br />
ab dem 12. Jh., vorab entlang den<br />
Pilgerwegen, in ganz Europa. Der<br />
hl. Jost wurde zum Schutzpatron<br />
<strong>der</strong> Pilger, Reisenden, Seeleute und<br />
Hospitäler. Ausserdem war er eine<br />
Art „fünfzehnter Nothelfer“, wurde<br />
er doch bei Krankheiten, ausblei-<br />
bendem Kin<strong>der</strong>segen und bei drohenden<br />
Gefahren in Haus und Hof<br />
angerufen. Von <strong>der</strong> Beliebtheit <strong>des</strong><br />
Heiligen zeugen die mancherorts<br />
anzutreffenden Darstellungen, die<br />
Jost in Pilgertracht zeigen, die zahlreichen<br />
ihm geweihten Kirchen und<br />
Kapellen, und die (heute meist verschwundenen)Jodokus-Bru<strong>der</strong>schaften.<br />
Bis in unsere Zeit haben<br />
sich in St-Josse-sur-Mer die traditionellen<br />
Prozessionen während <strong>der</strong><br />
Pfingstwoche erhalten. Dabei werden<br />
die verschiedenen Wirkungsorte<br />
<strong>des</strong> Heiligen aufgesucht, wobei<br />
<strong>der</strong> Schrein mit <strong>des</strong>sen Reliquien<br />
aus <strong>der</strong> Pfarrkirche mitgetragen<br />
wird.<br />
Für die Wallfahrt nach St-Josse-sur-Mer<br />
gibt es auch aus <strong>der</strong><br />
Schweiz Belege. So geht die 1391<br />
geweihte Wallfahrtskapelle St. Jost<br />
in Blatten bei Malters auf einen gewissen<br />
Hartmann Krämer aus Blatten<br />
zurück. Dieser hatte 1366 eine<br />
Wallfahrt nach St-Josse-sur-Mer<br />
in Nordfrankreich unternommen.<br />
Auf dem Weg wurde er von Räubern<br />
überfallen, worauf er gelobte,<br />
auf seinem Hof eine Kapelle zu<br />
Ehren von Sankt Jost zu erbauen,<br />
als Dank, falls er gerettet würde.<br />
Die Kapelle wurde in <strong>der</strong> Folge zu<br />
einem vielbesuchten Wallfahrtsziel<br />
in <strong>der</strong> Region Luzern. (Vgl. Artikel<br />
Seite 55)<br />
Ein weiterer Beleg für die Pilgerfahrt<br />
nach St-Josse-sur-Mer findet<br />
sich im Burgerarchiv Thun. Dort<br />
wird ein Pilgerbrief verwahrt. Die<br />
in Latein abgefasste, mit Siegel ver-<br />
22 ULTREÏA No 43 - Mai 2009