ultreïa - Schweizerischen Vereinigung der Freunde des Jakobsweges
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onen“, eine intensive, meist von<br />
Kapuzinern geleitete lokale Predigt-<br />
und Beichttätigkeit, die seit<br />
dem Ende <strong>des</strong> 19. Jh. alle zehn Jahre<br />
stattfand. Nach den 1960er Jahren<br />
verschwindet aber hier wie vielerorts<br />
diese Form <strong>der</strong> katholischen<br />
Erneuerungsbewegung (Abb. 3).<br />
Dem religiösen entsprach <strong>der</strong> patriotische<br />
und pädagogische Eifer<br />
dieser verflossenen Epoche. Das<br />
putzige Heimatstil-Schulhaus erinnert<br />
an die regionale Bautradition<br />
mit ihren dekorativen Klebdächern<br />
über den Fensterreihen. Wir lesen<br />
darauf: Den Jungen zur Lehr, den<br />
Alten zur Ehr. Den Kleinen zum<br />
Schutz, den Grossen zu Nutz. Der<br />
Jugend zur Zucht, dem Alter zur<br />
Frucht.<br />
Abb. 3<br />
Gleichzeitig erhalten wir eine Lektion<br />
in Staatskunde mit dem Lan<strong>des</strong>-,<br />
dem Kantons- und dem Gemeindewappen<br />
auf <strong>der</strong> Giebelfront. Seitlich<br />
geben sich alle übrigen Kantone die<br />
Ehre, zuoberst leuchten die Wappen<br />
<strong>der</strong> vier Waldstätten.<br />
ULTREÏA No 43 - Mai 2009<br />
TOUR D’HORIZON / RUNDSCHAU<br />
Nach <strong>der</strong> Überquerung <strong>der</strong> Haggenegg<br />
zwischen Kleinem Mythen<br />
und Hochstuckli erwartet uns ein<br />
Abstieg nach Schwyz von 900 Höhenmetern.<br />
Vielleicht ist unsere<br />
Stimmung dabei weniger euphorisch<br />
als diejenige <strong>des</strong> jungen Goethe,<br />
<strong>der</strong> auf seiner ersten Schweizerreise<br />
vor lauter Übermut und<br />
Bergbegeisterung buchstäblich den<br />
Hang hinuntergekugelt war. Sein<br />
nächtliches Abenteuer ist noch auf<br />
keiner Gedenktafel vermerkt, dafür<br />
meldet sein Tagebuch: Nachts zehn<br />
in Schwyz. Müd und munter vom<br />
Bergabspringen voll Dursts und<br />
Lachens. Gejauchzt bis um zwölf.<br />
Hinter <strong>der</strong> Schwyzer Pfarrkirche<br />
interessiert uns die kleine Heiligkreuz-Kapelle.<br />
Sie verwahrt nämlich<br />
das im grossen Dorfbrand von 1642<br />
wun<strong>der</strong>bar gerettete Kruzifix, worauf<br />
die Inschrift Ecce lignum crucis<br />
(Sieh hier das Holz <strong>des</strong> Kreuzes)<br />
hinweist (Abb. 4; siehe franz. Text).<br />
Niedliche Putten präsentieren die<br />
Leidenswerkzeuge Christi wie dekorative<br />
Souvenirs. Die letztmals<br />
1984 erneuerte Inschrift über dem<br />
Portal verspricht den Gläubigen zu<br />
bestimmten Zeiten einen Ablass<br />
von 100 Tagen.<br />
Der 1752 erstellte Schwyzer „Spittel“<br />
wurde zu Nutzen und Bequemlichkeit<br />
<strong>der</strong> Pilger (peregrinantium<br />
commodum), aber auch zu Trost<br />
und Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Armen und<br />
Kranken (pauperum et aegrotorum<br />
solamen) errichtet. Xenodochium<br />
heisst Gasthaus o<strong>der</strong> Fremdenherberge;<br />
wir denken dabei statt an<br />
„xenophob“ an sein positives Gegenteil<br />
„xenophil“, also „fremdenfreundlich“.<br />
Und wenn die „Elendenherberge“<br />
ursprünglich „Aus-<br />
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