26.11.2012 Aufrufe

Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12<br />

rungen durch Erfahrung und die lassen sich durch Bildungsprozesse<br />

nicht einfach herbeiführen. Es gibt hier, wie<br />

LACHMANN sagt, eine relative Konvergenz zur theologischen<br />

Unverfügbarkeit. 7 Der einzelne Mensch bleibt Subjekt<br />

seines Glaubens und lässt sich hier nicht konditionieren<br />

oder determinieren durch bestimmte Faktoren.<br />

HARTMUT VON HENTIG 8 spricht deshalb von einer Mathetik,<br />

also der „Kunst des wirksamen Lernens“ und nicht<br />

von einer Didaktik als Kunst des wirksamen Lehrens. Und<br />

er sagt: „Mit dem Glauben lernen ist es wie mit dem Denken<br />

lernen: man glaubt und denkt schon immer, bevor man<br />

es zu ‚lernen‘ beginnt.“ Seine Konsequenz: Wo kein (bewusster)<br />

Glaube ist, wird Belehrung nichts nützen. Da muss<br />

der Weg der Mathetik, – der Anlässe, Gelegenheiten, Herausforderungen<br />

und des geduldigen Abwartens – besonders<br />

strikt eingehalten werden.“<br />

3. Die beiden hermeneutischen Paradigmen<br />

Diese Differenzierung zwischen Belehrung und Entdeckenlassen<br />

führt uns mitten in eine fundamentale Auseinandersetzung<br />

in der Gemeindepädagogik, die KARL FOITZIK<br />

prägnant mit den Begriffen Hermeneutik der Vermittlung oder<br />

der Verständigung beschrieben hat. Eine Hermeneutik der<br />

Vermittlung will Glauben vorrangig „weitergeben“, eine Hermeneutik<br />

der Verständigung will helfen, den eigenen Glauben<br />

zu klären.<br />

Aus diesen beiden Typen von Hermeneutik und entsprechender<br />

Didaktik haben sich zwei unterschiedliche Zugangsweisen<br />

zu Glauben entwickelt, die mit „Glaube als Option“<br />

und mit „Glaube als Heimat“ bezeichnet werden können.<br />

9 Ich will diese beiden Typen hier kurz skizzieren und<br />

vorab betonen, dass es hier um Typologien geht, die in der<br />

Wirklichkeit immer nicht so lupenrein existieren, sondern in<br />

Mischformen.<br />

Die erste Position „Glaube als Option“ geht von der pluralen<br />

Optionsgesellschaft aus. Sie nimmt wahr, dass Menschen<br />

an übergreifenden Metaerzählungen und großen<br />

Transzendenzen kaum interessiert sind. 10 Sie fragen vielmehr<br />

nach dem individuellen Sinn des Lebens, wollen sich selbst<br />

finden und suchen nach der eigenen Identität. Subjektives<br />

Aneignen und neues Verstehen der Tradition stehen im Zentrum.<br />

Dazu wird Wissen über die christliche Tradition nicht<br />

einfach übernommen, sondern es soll erfahrungsbezogen<br />

erschlossen werden. Entsprechend wird nicht nach Glaubensunterweisung<br />

gefragt, sondern nach religiöser Erlebnisintensität<br />

und Spiritualität. Inhalte müssen zwar kognitiv<br />

stimmig, zugleich aber in einer ästhetischen Atmosphäre,<br />

unter Betonung von Feier und Lebendigkeit dargeboten werden.<br />

Aus der eigenen Lebensgeschichte soll der Glauben<br />

plausibel werden.<br />

Glaubenskurse, die diesem Anspruch folgen, arbeiten<br />

subjektorientiert und kommen häufig aus der Erwachsenenbildung.<br />

Ihr Ziel ist es, Menschen in der Auseinandersetzung<br />

mit unterschiedlichen Positionen zur Klärung ihrer<br />

eigenen Glaubensidentität zu ermutigen und diese Klärung<br />

zu fördern. Dabei werden weniger inhaltliche Vorgaben zu<br />

dem gemacht, was es heute heißt, als Christ zu leben, und<br />

mehr Raum für eigene Antworten und Entdeckungen eröffnet.<br />

Diese Kurse arbeiten stark prozessorientiert. Das Ziel<br />

ist, im Austausch mit anderen eigene Glaubenswege zu finden.<br />

Dabei liegt eine Hermeneutik der Verständigung zugrunde.<br />

Hier gibt es keine eindeutigen, verallgemeinerba-<br />

ren Einsichten, sondern sehr persönliche Erkenntnisse zu<br />

Gottes Wirken in der Welt und im eigenen Leben. Diese Kurse<br />

wollen nicht primär überzeugen, sondern klären helfen<br />

und „Glauben im Leben neu entdecken“.<br />

In der zweiten Position „Glaube als Heimat“ wird Pluralität<br />

vor allem als Grenzenlosigkeit wahrgenommen. Auf<br />

die menschliche Sehnsucht nach Sinn wird mit dem Angebot<br />

von Orientierung, Gewissheit und Heimat reagiert. 11 Unter<br />

diesen Gegebenheiten bevorzugen Glaubenskurse eine<br />

einheitliche und eindeutige christliche Botschaft. Folglich<br />

geht es im Glauben vor allem um eine vertrauensorientierte<br />

Zuwendung (fiducia) und den Glaubensakt. Traditionen<br />

und Gemeinschaft bieten dann eine Plausibilitätsstruktur, die<br />

in der Optionsgesellschaft Halt gibt. 12<br />

Die Leitung des Glaubenskurses wird in diesem Falle<br />

eher zu direktiven Darstellungsweisen tendieren. Christliche<br />

Tradition wird präsentiert und weniger diskutiert, die Teilnehmer<br />

sind vor allem Zuhörende und Aufnehmende. Die<br />

exponierte Stellung der Umkehrliturgien in diesen Kursen<br />

lässt sich in der Weise interpretieren, dass versucht werden<br />

soll, den Glauben „anzuschieben“, obwohl man sich<br />

der Unverfügbarkeit bewusst ist. Die Hermeneutik der Vermittlung<br />

erhält folglich ein stärkeres Gewicht; die Kurse wollen<br />

bezeugen und Glauben weitergeben. Gleichzeitig wird<br />

durch informelle Lernprozesse, zum Beispiel intensive Gespräche<br />

in Gruppen oder auch gemeinsam erlebte liturgische<br />

Handlungen, die emotionale und gemeinschaftsorientierte<br />

Glaubensdimension gefördert.<br />

Kurse dieser Art, die meist in Kirchengemeinden stattfinden,<br />

sind relativ weit verbreitet. Das kann vielleicht damit<br />

erklärt werden, dass sie der Sehnsucht nach Beziehung und<br />

Zuwendung intensiver entsprechen.<br />

Wenn man sich die Sprache des EKD-Papiers „Kirche der<br />

Freiheit“ zur Bildung vor Augen führt, scheint sie auch eher in<br />

diesem Modell „beheimatet“ zu sein. Das erklärt die Irritationen<br />

in der <strong>EEB</strong> über dieses Papier und sein Bildungsverständnis.<br />

In einem gemeinsamen Projekt von Amt für Gemeindedienst<br />

der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern<br />

(ELKB) und Evangelischer Fachhochschule unter Leitung<br />

von FRIEDRICH RÖSSNER und mir haben wir fast 50 derzeit<br />

auf dem Markt befindliche Glaubenskurse analysiert und<br />

kategorisiert. Die Ergebnisse wurden im Januar 20<strong>08</strong> über<br />

eine „Glaubenskurs-Finder-CD“ allen Pfarrämter in der<br />

ELKB zugänglich gemacht. 13<br />

Unsere Untersuchung spiegelt exakt diese beiden Modelle;<br />

das vorhandene Kursmaterial verteilt sich ungefähr<br />

50:50 auf diese beiden Typen.<br />

Natürlich liegt es jetzt nahe zu fragen, welches Modell<br />

theologisch und pädagogisch angemessener ist. Eine salomonische<br />

Lösung könnte darin liegen, dass verschiedene<br />

Menschen verschiedene Formen brauchen, wie ja auch<br />

Glaubens- und Lernwege durchaus unterschiedlich sind. In<br />

der Erwachsenenbildung hat sich trotzdem das Modell einer<br />

Hermeneutik der Verständigung durchgesetzt, weil es<br />

die Pluralität unserer Gesellschaft bejaht und der Subjektorientierung<br />

evangelischer Bildung entspricht, aber auch Erkenntnisse<br />

aus der Lernforschung aufnimmt und pädagogisch<br />

anschlussfähig ist. Die neue Öffnung für Methoden<br />

der Erwachsenenbildung z. B. im Kurs „Emmaus“ 14 und die<br />

Bevorzugung von gesprächsorientierten Kleingruppen statt<br />

vorrangiger Plenumspräsentation in anderen Kursen zeigen,<br />

dass hier auch im Bereich der missionarischen Kurse ein

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!