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Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

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14<br />

Eine erste, sehr vorsichtige Prognose: Religiöse Sucher landen<br />

z. B. verstärkt in Angeboten der spirituellen Bildung und<br />

bei Bildungswerken. Der Kirche Hochverbundene teilen sich<br />

in die, die sich ihres Glaubens vergewissern wollen und Bestätigung<br />

suchen, also Glaube als Heimat suchen, und solche,<br />

die eher intellektuelle Reflexion und Austausch über<br />

Fragen und Zweifel wollen im Sinne des Optionstyps und<br />

dafür neben der eigenen Gemeinde auch überparochiale<br />

Angebote nutzen. Interessant ist die Frage, wo die Kirchendistanzierten<br />

hingehen. Die Erfolge von missionarischen<br />

Kursen wie Alpha oder Emmaus, die für diese Zielgruppe<br />

entwickelt worden sind, scheinen dafür zu sprechen, dass<br />

hier eher das Vermittlungsmodell angebracht ist. Andererseits<br />

sprechen diese Kurse wohl eher nur begrenzte Milieus<br />

und Altersgruppen an. Auf jeden Fall ist hier Differenzierung<br />

nötig.<br />

4.2. Sprachebenen klären und beachten<br />

Im Blick auf die Distanzierten ist schließlich noch eine wichtige<br />

Unterscheidung zu bedenken, die in den USA als primary<br />

speech oder secondary speech beschrieben wird. Primary<br />

speech redet so vom christlichen Glauben, dass keinerlei<br />

religiöse Vorkenntnisse erforderlich sind, so dass auch<br />

Atheisten verstehen, von was gesprochen wird. Secondary<br />

speech setzt voraus, dass die Menschen wissen, was<br />

die Bibel ist, wer Jesus Christus ist, was ein Kreuz bedeutet<br />

etc. Hier geht es um die genauere Bedeutung der Glaubenstraditionen<br />

oder ihre vielfältigen Deutungsmöglichkeiten.<br />

Im Blick auf Kirchendistanzierte ist daher zu fragen: wie<br />

viel Wissen setzen wir eigentlich implizit voraus? Die meisten<br />

Glaubenskurse in Deutschland benutzen secondary<br />

speech und sind für Menschen ohne Vorkenntnisse unverständlich.<br />

Sie sind daher sowohl für jüngere Aussiedler als<br />

auch für viele Menschen in Ostdeutschland unbrauchbar.<br />

Die theologische Herausforderung hier ist die Elementarisierung<br />

von Glaubensfragen ohne Banalisierung, und das<br />

halte ich für eine hohe Kunst. Es gibt dafür erste Ansätze,<br />

z. B. „Glauben (12)“, wobei auch dieser Kurs weitgehend<br />

im secondary speech bleibt. 21<br />

4.3. Zur Rolle der sozialen Dimension<br />

Noch ein Aspekt ist zu bedenken: Neben der Frage nach<br />

dem Verhältnis von Wissen und Spiritualität und dem Vorwissen<br />

muss uns auch das Verhältnis von Glaubenswissen<br />

und Beziehung neu beschäftigen. Interessant in diesem Zusammenhang<br />

sind Erkenntnisse aus englischen Studien zu<br />

der Frage, wie Menschen zum Glauben finden. Darin wurde<br />

in den 90er Jahren angesichts der rasanten Säkularisierung<br />

der britischen Gesellschaft untersucht, wie Menschen<br />

zum Glauben finden. Das Ergebnis kurz gefasst: Glaubenlernen<br />

ist ein Prozess und selten ein plötzliches Ereignis.<br />

Darüber freut sich <strong>EEB</strong>, denn an der Stelle haben wir<br />

immer schon eher an Prozesse als an Spontanbekehrungen<br />

geglaubt. Doch wer meint, es komme vor allem darauf<br />

an, den Menschen Auseinandersetzungen mit Überzeugungen<br />

zu bieten, der irrt etwas.<br />

Denn in diesem Prozess spielen Beziehungen eine große<br />

Rolle: Erst kommt das Belonging, dann das Believing<br />

und Behaving. Menschen übernehmen eine religiöse Weltanschauung,<br />

eine Glaubenshaltung dann, wenn sie tragfähige<br />

Beziehungen zu Menschen erleben, die nach dieser<br />

Glaubenshaltung leben. Das bedeutet, dass das alte Be-<br />

kehrungsmodell, nach dem noch viele Kurse arbeiten (erst<br />

wissen, dann glauben, dann Glaubensgemeinschaft suchen)<br />

schlicht nicht mehr stimmt.<br />

Damit bestätigen sich die Beobachtungen aus Religionssoziologie,<br />

Pädagogik und Religionspsychologie, die die<br />

Bedeutung von Gruppe und Beziehungen betonen. Menschen<br />

übernehmen die Glaubensüberzeugung der Gruppe,<br />

in der sie sich zuhause fühlen. 22<br />

Diese Erkenntnis stellt eine gerade für evangelische Bildung<br />

häufig geäußerte Konsequenz in Frage: Wir gehen davon<br />

aus, dass mit dem Glaubenswissen die Glaubensgewissheit<br />

geschwunden ist und daher das Wissen auf Gewissheit<br />

zielt, der Weg also vom Wissen zum Glauben geht.<br />

Und genau dieser Weg wird hier durch die englischen Forschungsergebnisse<br />

in Frage gestellt. Nicht das Wissen, sondern<br />

die Beziehung ist das Entscheidende, das Wissen ist<br />

nachrangig. Diese Position hat m. E. auch gute biblische<br />

Gewährsleute, denn da, wo Jesus Menschen heilt, ist nicht<br />

die notitia, sondern die fiducia, das Vertrauen und die Beziehung<br />

zu ihm entscheidend. Die Menschen treten in Beziehung<br />

(vgl. Zachäus in Lk 19,1–10) und gehen erst hinterher<br />

in die Jüngerschule.<br />

Dabei gibt es interessante geschlechtsspezifische Differenzen:<br />

23 Die meisten Menschen kommen durch Freunde<br />

oder Familienangehörige in Kontakt mit Glauben. Bei der<br />

Frage nach den wichtigsten Faktoren auf dem Weg des<br />

Glaubens wurden beziehungsorientierte Einflüsse mit Abstand<br />

am häufigsten genannt. Dabei traten signifikante Unterschiede<br />

zwischen Männern und Frauen zu Tage. Für Frauen<br />

sind die wichtigste Gruppen christliche Freundinnen mit<br />

24%, danach Pastor/innen mit ca. 17% und schließlich –<br />

typischer Weg über den Gemeindekontakt der Kinder – die<br />

eigenen Kinder mit 13% (dagegen nur bei 3% der Männer).<br />

22% der Männer (dagegen nur 5% der Frauen) gaben als<br />

primären Faktor auf dem Weg des Glaubens ihre Partnerinnen<br />

an, gefolgt von je ca. 15%, die Pastor/innen und<br />

christliche Freunde nannten.<br />

Die angelsächsischen Glaubenskurse, vor allem „Emmaus“,<br />

haben sich die Beziehungsevangelisation angeeignet und<br />

betonen die Rolle der nurture groups. Sie nehmen damit<br />

die Kleingruppe als das zentrale Paradigma postmoderner<br />

Spiritualität auf. Die Gruppe als Gemeinschaftsangebot ist<br />

besonders für Neuzugezogene oder Menschen in Krisen<br />

wichtig.<br />

Gruppenorientierung ist nichts Neues für die Erwachsenenbildung.<br />

Doch diese Erkenntnisse stellen die <strong>EEB</strong> vor<br />

die Frage nach Beziehungen in vielfältiger Form und vor die<br />

Frage nach dem eigenen Gemeindeverständnis.<br />

� Welche Bindungsformen, Netzwerke und Anknüpfungspunkte<br />

bieten wir?<br />

� Wie wichtig sind uns diese Beziehungsmöglichkeiten, wie<br />

viel Engagement geht da hinein?<br />

� Wo ergeben sich hier sinnvolle Synergien und Vernetzungen,<br />

z. B. mit Ortsgemeinden als den Orten, wo die<br />

Tradition gelebt wird?<br />

� Wohin gehen Menschen, deren spiritueller Hunger er-<br />

wacht ist?<br />

Die didaktische Konsequenz daraus ist für mich, viel Raum<br />

für Gespräche zur Anknüpfung an Lebenserfahrungen zu<br />

bieten. Ein interessantes Modell hat meine amerikanische<br />

Kollegin NORMA COOK EVERIST mit dem Glaubenskurs

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