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Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

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Erfahrungen und Perspektiven<br />

Ein Gruß des scheidenden Beiratsvorsitzenden<br />

Gottfried Orth<br />

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Evangelischen<br />

Erwachsenenbildung <strong>Niedersachsen</strong>,<br />

ich schreibe Ihnen gleichsam in einem Brief, weil ich<br />

kein Vorsitzender mehr bin, der etwas zu berichten hat. Dennoch<br />

möchte ganz kurz auf meine Zeit als Vorsitzender des<br />

Beirats der Evangelischen Erwachsenenbildung <strong>Niedersachsen</strong><br />

zurückblicken. Es war eine Zeit der Umbrüche im<br />

universitären und schulischen Bildungswesen und – politisch<br />

korrekt formuliert – eine Zeit der Haushaltskonsolidierungen.<br />

Mit Bachelor- und Masterstudiengängen und ‚G 8’ sollte<br />

alles an Universität und Schule besser, schneller, effektiver<br />

werden. Stillschweigend wurde da vielfach Bildung durch<br />

Ausbildung ersetzt. Für die Erwachsenenbildung nehme ich<br />

dies so nicht wahr, wenngleich ich auch hier beobachte,<br />

dass die den Reformen zugrunde liegenden Absichten – Effektivität,<br />

ausbildende Qualifizierung anstelle von Selbstbildung<br />

und Schnelligkeit – auch in der Erwachsenenbildung<br />

insgesamt an Bedeutung gewonnen haben. Kurse, die Qualifikationen<br />

anbieten für Beruf oder Ehrenamt, sind eher nachgefragt<br />

als solche zunächst zweckfreier eigener (Selbst-)Bildung<br />

in „Anpassung und (!) Widerstand“ an gesellschaftliche<br />

und individuelle Lebenslagen.<br />

Haushaltsfragen, sprich: Sparmaßnahmen, freilich trafen<br />

die Evangelische Erwachsenenbildung <strong>Niedersachsen</strong>.<br />

So sagte ich in meiner ersten Landeskonferenz: „Die vom<br />

Rat der Konföderation 1999 beschlossene Regionalisierung<br />

der <strong>EEB</strong> in <strong>Niedersachsen</strong> stößt offensichtlich an die Grenzen<br />

ihrer Finanzierbarkeit.“ Es waren Haushalts- und davon<br />

abgeleitete Strukturfragen, die die beiden letzten Beiratsperioden<br />

in nahezu jeder Sitzung und in vielerlei Ausschüssen<br />

wesentlich (mit-)bestimmten. Dies sehe ich im<br />

Nachhinein nicht als das zentrale Problem. Erschwerend waren<br />

– wie in kirchlichen Zusammenhängend häufig zu beobachten<br />

– unklare bzw. verschleierte Entscheidungskompetenzen<br />

und Entscheidungsstrukturen. Sie waren es, die<br />

zur zunehmenden Enttäuschung vieler Beiratsmitglieder<br />

führten, die viel Zeit und Phantasie in Strukturausschüsse<br />

und -debatten investierten, die anschließend von kirchenleitenden<br />

Entscheidungen schlicht ins Abseits gestellt wurden.<br />

Wenig Anerkennung und Wertschätzung konnte so die<br />

Arbeit der Mitglieder des Beirates allein aus strukturellen<br />

Gründen finden.<br />

Ich denke, hier wurde mit der Neukonstruktion des Beirates<br />

der Evangelischen Erwachsenenbildung <strong>Niedersachsen</strong><br />

ein guter Weg eingeleitet. Die Mitglieder dieses Fachbeirates<br />

können sich nun auf die fachliche und perspektivische<br />

Diskussion der Bildungsinhalte und Lern- und Arbeitsformen<br />

evangelischer Erwachsenenbildung<br />

konzentrieren. Dass damit ein Verzicht auf strukturelle Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />

einhergeht, sollte freilich m. E.<br />

festgehalten werden. Demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

werden so geringer; sie werden – so meine Wahr-<br />

nehmung – allerdings auch weniger eingefordert und nachgefragt.<br />

Für die Arbeit dieses Fachbeirates wie für die inhaltliche<br />

Profilierung der evangelischen Erwachsenenbildung<br />

sehe ich vornehmlich drei Aufgaben, die ich neben einer<br />

weiteren Anregung abschließend benennen möchte:<br />

� Religiöse und theologische Erwachsenenbildung: Wie gelingt<br />

es, individuelle Stile von Religion und Frömmigkeit<br />

kritisch-konstruktiv mit Traditionen christlichen Glaubens<br />

so zu verknüpfen, dass diese nicht normierend und einschränkend<br />

wirken, sondern in ihren öffnenden, befreienden,<br />

entlastenden und kreativen Perspektiven inhaltlich<br />

neu wahrgenommen werden können?<br />

� Politische und gesellschaftliche Bildung: Wie lassen sich<br />

gegenwärtige gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen<br />

so verstehen und mit Perspektiven evangelischer<br />

Ethik individuell und gesellschaftlich verknüpfen,<br />

dass „das Ende der Krise“ nicht ein „immer weiter so“,<br />

sondern vielleicht doch einen Neuaufbruch zu mehr Gerechtigkeit<br />

zwischen Menschen und zu schonendem Eingriff<br />

in natürliche Abläufe des Lebens bedeuten kann?<br />

� Lernen zwischen den Generationen: Wie kann bei zunehmender<br />

Individualisierung und Pluralisierung Gemeinschaft<br />

gelingen und Gemeinschaft erfahren werden<br />

als Lebensform, die zu allererst beglückt – auch wenn sie<br />

immer auch als einschränkend erfahren werden kann?<br />

Ich habe in den letzten beiden Jahren für mich die Möglichkeiten<br />

gewaltfreier Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg,<br />

die zentralen Botschaften der jüdisch-christlichen<br />

Tradition entspricht, entdeckt und für biblisches Arbeiten<br />

fruchtbar zu machen gesucht (vgl. G. ORTH, Friedensarbeit<br />

mit der Bibel. Eva, Kain und Co. Göttingen 20<strong>09</strong>; dazu<br />

als Downloadmaterial Arbeitshilfen für Konfirmandenunterricht<br />

und Erwachsenenbildung). Ich habe dies als ausgesprochen<br />

bereichernd erfahren in persönlichen Lebenszusammenhängen,<br />

in meinem Zusammensein an der Universität<br />

mit Studierenden und KollegInnen wie im wissenschaftlichen<br />

Arbeiten. In den <strong>EEB</strong> Arbeitsgemeinschaften<br />

in Braunschweig, Hannover, Osnabrück und Oldenburg gibt<br />

es bereits Kurse in gewaltfreier Kommunikation, und diese<br />

wird eingeübt in den eigenen Arbeits- und Lernzusammenhängen.<br />

Ich wünsche mir und kann mir gut vorstellen, dass<br />

hier ein Lern- und Lebenspotential ‚schlummert‘, das von<br />

der evangelischen Erwachsenenbildung insgesamt noch<br />

stärker zu entdecken, zu gestalten und weiterzugeben ist.<br />

Ich wünsche der Evangelischen Erwachsenenbildung<br />

<strong>Niedersachsen</strong>, der ich inhaltlich vielfältig verbunden bleibe,<br />

in „Anpassung und Widerstand“ ihren guten Weg in Gesellschaft<br />

und Kirchen.<br />

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