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Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

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Faires Streiten von Anfang an! –<br />

Mediation im pädagogischen Alltag<br />

Berufsbegleitende Weiterbildung<br />

Sabine Meissner<br />

Es ist eine Binsenwahrheit, dass man Konflikte, Streit und<br />

Ärger fast täglich erlebt, wenn man beruflich mit Kindern<br />

und Jugendlichen zu tun hat.<br />

Das wissen insbesondere Erzieher und Erzieherinnen,<br />

aber auch Lehrer und Lehrerinnen. Ihnen begegnen viele<br />

Konfliktvarianten und Spannungen, viele von ihnen sind darin<br />

emotional verstrickt. Geeignete Interventionsmöglichkeiten,<br />

und das heißt konkret Konfliktlösungsstrategien, fehlen<br />

oft. Zudem erschweren Teamkonflikte und Konflikte mit<br />

Eltern oder dem Träger die pädagogische Arbeit.<br />

Frustration, unterdrückter Ärger, zeit- und nervenraubende<br />

Gespräche, in denen jeder nur sein eigenes Verhalten<br />

rechtfertigt, sind an der Tagesordnung. Gefühle der Überforderung<br />

und Verletzung, schwelende Konflikte und Hilflosigkeit<br />

sind heute häufige „heimliche“ Begleiter in erzieherischen<br />

Berufen.<br />

Hier setzt die Fortbildung „Faires Streiten …“ an. Es ist<br />

eine berufsbegleitende Weiterbildung für Erzieher/innen, Leiter/innen<br />

von Kindertagestätten, Lehrer/innen in Grundschulen<br />

und andere, die in der Kinder- und Jugendarbeit<br />

tätig sind.<br />

Aus der Praxis der Fortbildung<br />

Die Teilnehmer/innen erlernen die Theorie und praktizieren<br />

die Methode der Mediation, und zwar vor allem an<br />

eigenen, konkreten Praxisfällen. Sie müssen sich dabei immer<br />

wieder ihrer eigenen ethischen Grundhaltung und ihrer<br />

Rolle als Mediatoren oder Mediatorinnen vergewissern.<br />

Das ist nicht immer einfach, wenn Konflikte sich schon<br />

verhärtet haben und man leicht geneigt ist, entweder nach<br />

drastischen Maßnahmen zu greifen oder aufzugeben. Mediation<br />

verlangt zunächst Mut und Kraft, den Konflikten auf<br />

den Grund zu gehen. Erst längerfristig zahlt sich die Mühe aus,<br />

und die erlernte Methode spart Zeit und Kraft, schont die Nerven<br />

und ermöglicht ein konstruktives, faires Miteinander.<br />

Dazu ein Beispiel aus der Praxis der Teilnehmer/innen:<br />

Zwei Jungen der 3. Klasse einer Grundschule hatten<br />

durch ihr schon länger anhaltendes aggressives, störendes<br />

Verhalten im Unterricht und in den Pausen mittlerweile den<br />

gesamten Unterricht „lahm“ gelegt.<br />

Alle Mitschüler/innen waren irgendwie involviert und ergriffen<br />

unterschiedlich Partei. Elterngespräche brachten keine<br />

wesentlichen Verhaltensänderungen. Die Eltern beider<br />

Jungen behaupteten, dass ihre Söhne sich zuhause ganz<br />

anders benähmen und sie sich dieses Verhalten gar nicht<br />

erklären könnten. Niko und Sam (die Namen sind hier geändert)<br />

beschimpften sich weiterhin laut während des Unterrichts,<br />

z. T. mit Fäkalausdrücken, rempelten sich und andere<br />

Mitschüler/innen an, fegten Schulbücher und Hefte von<br />

den Tischen und ließen sich immer etwas Neues einfallen.<br />

Mit Einwilligung der Eltern und der Schule wurde eine<br />

Mediation versucht. Die Neugierde der beiden Jungen konnte<br />

geweckt werden, und sie willigten ein. Während der Me-<br />

diation (in der 3. Phase: der „Erhellung des Konflikts“) stellte<br />

sich heraus, dass die Ursachen schon weit zurücklagen.<br />

Beide Jungen lagen mit fünf Jahren zur gleichen Zeit in demselben<br />

Krankenhaus. Niko nahm Sam immer die Comic-<br />

Hefte weg, und dieser konnte sich nur schlecht bewegen<br />

und wehren. Im weiteren Verlauf der Mediation äußerte Sam<br />

unter anderem noch den Vorwurf, dass Niko auch später<br />

nicht mit ihm gespielt habe. Das war Niko so nicht bewusst,<br />

er fühlte sich nur von Sam ständig provoziert. Außerdem<br />

wurde im Verlauf der Mediation klar, dass sich beide immer<br />

nur in Anwesenheit anderer Kinder stritten. Das machte<br />

deutlich, warum beide sich zuhause anders verhielten. (Auf<br />

die weitergehende psychologische Interpretation muss hier<br />

verzichtet werden.)<br />

Nach der Frage, was beide für eine Zukunft ohne Streit<br />

und Kampf in der Klasse bräuchten, vereinbarten sie, dass<br />

sie sich einmal in der Woche alleine verabreden und treffen<br />

wollen und dass sie sich (gegenseitig und selbst) aufmerksam<br />

machen wollen, wenn sie „schlimme Wörter“ sagen. Dazu<br />

hatten sie sich ein Handzeichen ausgedacht (Zeige- und Mittelfinger<br />

kreuzen). Diese Absprachen wurden in einem kleinen<br />

Vertrag festgehalten und von beiden unterschrieben.<br />

Nach der vereinbarten Probezeit trafen sie sich zum Bilanzgespräch<br />

wieder und berichteten, dass es mit dem Treffen<br />

gut geklappt habe, nur mit den „schlimmen Wörtern“<br />

nicht immer. Da wollten sie noch weiter „üben“. In der Klasse<br />

änderte sich langsam ihr Verhalten, sodass der Unterricht<br />

wieder möglich war.<br />

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