Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen
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Zur Verabschiedung von Werner Kindermann und<br />
zur Einführung von Ralf Handelsmann<br />
Eine Predigt im Gottesdienst zu diesem Anlass am 21. November 20<strong>08</strong> in Stade<br />
Wilhelm Niedernolte<br />
Der Spruch für den Monat November 20<strong>08</strong> lautet:<br />
„Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt<br />
und den Elenden sättigst,<br />
dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen,<br />
und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.“<br />
(Jesaja 58, 10)<br />
Liebe Gemeinde,<br />
dieses prophetische Wort entfaltet seine Bedeutung auf dem<br />
jeweiligen Hintergrund, auf dem es gehört und in dem jeweiligen<br />
Kontext, in den es gestellt wird. So, wie wir es im<br />
Alten Testament vorfinden, steht es im dritten Teil des Jesajabuches.<br />
Hier wird die historische Situation voraus gesetzt,<br />
dass das Volk Israel aus der Gefangenschaft Babylons<br />
zurückgekehrt ist und sich anschickt, sein politisches<br />
und religiöses Leben neu zu ordnen – auf dem Hintergrund<br />
der Erfahrungen in der Gefangenschaft.<br />
Ausleger haben diesem dritten Jesaja eine Eschatologisierung<br />
der Heilserwartung bescheinigt; d. h. neben die<br />
Hoffnung auf das Heil in der gegenwärtigen Welt und die<br />
daraus gebotene Notwendigkeit einer gegenwärtigen Gestaltung<br />
des politischen und religiösen Lebens tritt die Hoffnung<br />
auf eine neue Welt Gottes: (Jesaja 65, 17) Gott spricht:<br />
Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde<br />
schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und<br />
sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.<br />
Diese Spannung zwischen der gegenwärtigen von Menschen<br />
zu gestaltenden Welt und dem neuen Himmel und<br />
der neuen Erde Gottes ist uns Christen geläufig, weil sie<br />
Eingang gefunden hat in einige Bücher des Neuen Testaments.<br />
Und in dieser Spannung steht auch der eben genannte<br />
Spruch von den Hungrigen und Elenden: Wenn du<br />
den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst,<br />
dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und<br />
dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Die Herbeiführung von<br />
Gottes neuem Himmel und neuer Erde steht nicht in unserer<br />
Verfügung, wohl aber sind wir verantwortlich für die Gestaltung<br />
der Gegenwart in Erwartung der neuen Welt Gottes.<br />
Darum ist es alles andere als beliebig, wie wir diese Verantwortung<br />
wahrnehmen. Genau daran, an einer vor Gott verantworteten<br />
Gestaltung der Gesellschaft, so sagen es die<br />
Propheten, ist Israel gescheitert. Es hat z. B. die Übung des<br />
Fastens hervorragend praktiziert, gleichzeitig aber die soziale<br />
Schieflage im Volk ignoriert. Und nun ist die Möglichkeit gegeben,<br />
diese Schieflage wieder ins Gleichgewicht zu bringen,<br />
dadurch, dass Hungrige und andere Menschen im Elend nicht<br />
nur etwas zu essen bekommen, sondern auch ein Herz finden,<br />
das ihnen Achtung und Wertschätzung entgegenbringt.<br />
Es gibt weitere Kontexte für dieses Prophetenwort. Die Zuordnung<br />
der biblischen Texte zu unserem Kirchenjahr – das<br />
ist ein weiterer Kontext dieses Prophetenwortes – nimmt diesen<br />
Gedanken auf. Der letzte Sonntag vor der Fastenzeit sieht<br />
diesen Abschnitt als Lesung vor; er thematisiert das falsche<br />
und das echte Fasten; ein Thema, was mich als Protestanten<br />
nicht so sehr bewegt und mich darüber hinaus zu einigen<br />
exegetischen Umwegen nötigt, um daraus eine authentische<br />
Predigt zu machen. Mir ist die andere textliche Zuordnung<br />
zum Erntedankfest schon eher zugänglich, bei dem<br />
die Notwendigkeit des Teilens im Vordergrund steht.<br />
Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt<br />
und den Elenden sättigst,<br />
dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen,<br />
und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.<br />
kann also neben dem ursprünglichen Kontext in dem des<br />
Fastens und dem des Teilens stehen.<br />
Heute nun steht dieses Prophetenwort im Kontext der<br />
evangelischen Erwachsenenbildung, im Zusammenhang<br />
von allgemeiner Bildung, von beruflicher Bildung, von ethischer<br />
und religiöser Bildung und im Kontext der Stabübergabe<br />
zwischen zwei Pädagogen, denen dieses Prophetenwort<br />
als Leitmotiv dienen kann. Denn dafür stehen beide<br />
Kollegen, und das zeigen ihre Berufsbiographien.<br />
Werner Kindermann hat eine Handwerkerlehre gemacht<br />
und als Handwerker gearbeitet, ist zum Kirchlichen Dienst<br />
in der Arbeitswelt (KDA) gegangen und hat auch bei der<br />
<strong>EEB</strong> die berufliche Bildung in den Vordergrund gestellt – mit<br />
dem Ziel, jungen Menschen, die es aus persönlichen und<br />
familiären oder aus anderen Gründen schwer haben, eine<br />
berufliche Perspektive zu ermöglichen und ihre berufliche<br />
Karriere auf ein solides Fundament zu stellen, Menschen<br />
auf den ersten Arbeitsmarkt (zurück) zu führen.<br />
Das ist ja der eigentliche Hunger, der in unserem Land<br />
herrscht und mit dem zu viele junge und alte Menschen allein<br />
bleiben, der Hunger nach Bildung, nach Ausbildung,<br />
der Hunger danach, teilzuhaben an dem, was in unserer<br />
Gesellschaft von Bedeutung ist, der Hunger nach Wertschätzung<br />
und Anerkennung. Darum gehört zur Berufsbiographie<br />
von Werner Kindermann neben der pädagogischen<br />
Geschäftsführung der AG Nord der <strong>EEB</strong> <strong>Niedersachsen</strong><br />
auch die Gründung der Ev. Familienbildungsstätte<br />
Kehdingen/Stade, des Bildungszentrums Bad Bederkesa,<br />
der Jugendwerkstatt Land Hadeln, des Berufsbildungswerks<br />
Cadenberge, des Evangelisches Bildungswerks<br />
Elbe-Weser. Das alles liegt letztlich auf der Linie des Prophetenwortes,<br />
Hungrige dein Herz finden zu lassen und<br />
Elende zu sättigen. Das ist hier gelungen, und darauf darf<br />
Herr Kindermann – bei aller gebotenen protestantischen Zurückhaltung<br />
bezüglich guter Werke – stolz sein, und wir mit<br />
ihm. Diese guten Werke machen ihn und uns nicht selig,