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Eeb jahrbuch 08 09 v03:layout 1 - EEB Niedersachsen

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Umdenken geschieht, wobei die stärkere Wahrnehmung von<br />

Gruppenprozessen eben noch nicht zu einer Veränderungen<br />

einer Vermittlungs-Hermeneutik führt.<br />

Aber nicht nur pädagogisch, auch theologisch muss man<br />

fragen: Legt das Priestertum aller Gläubigen die Hermeneutik<br />

der Verständigung nahe? Oder braucht die Orientierungslosigkeit<br />

vieler Menschen heute gerade klare Antworten?<br />

Oder ist es sinnvoller, die beiden Modelle komplementär<br />

zu sehen und situativ je nach Zielgruppe und Milieu mal<br />

zum einen und mal zum anderen zu greifen? Oder entscheidet<br />

die persönliche theologisch-pädagogische Orientierung<br />

des Hauptamtlichen oder seines Umfeldes, nach welchem<br />

Modell gearbeitet wird?<br />

Tatsache ist: nach beiden Modellen wird in unseren Landeskirchen<br />

derzeit gearbeitet und es gibt keine Hinweise,<br />

dass nur das eine „erfolgreich“ und das andere „erfolglos“<br />

wäre. Aber es gibt in diesem Bereich bisher auch so gut<br />

wie keine empirische Forschung, die uns Aufschluss darüber<br />

geben könnte, wer zu welchem Modell geht oder greift<br />

und welche Folgen das hat. Es gibt hier also einen hohen<br />

Forschungsbedarf, den ein Projekt an meiner Fachhochschule<br />

zu decken versucht.<br />

4. Grundsätzliche Überlegungen zum Einsatz von<br />

Glaubenskursen in der <strong>EEB</strong><br />

Ich halte es für sinnvoll, Glaubenskurse in der <strong>EEB</strong> nicht von<br />

vornherein auszublenden. Das würde eine Chance vertun,<br />

auf die neue Frage nach Religion und Glaube pädagogisch<br />

und theologisch angemessen zu reagieren. Menschen in unserer<br />

Gesellschaft, egal ob kirchennah oder eher distanziert,<br />

brauchen Orte, wo sie Sprachfähigkeit in religiösen Fragen<br />

gewinnen und Basiswissen über christliche Religion und Kultur<br />

erhalten. Sie brauchen auch vielfältige Wege, gelebtem<br />

christlichem Glauben zu begegnen und die Relevanz des<br />

Glaubens im Blick auf die brennenden Fragen unserer Zeit<br />

und auf individuelle Lebensfragen zu erleben. Positive Erfahrungen<br />

in der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg<br />

zeigen auch, dass es durchaus möglich ist, im Rahmen der<br />

Ansprüche und Paradigmen der <strong>EEB</strong> entsprechende Angebote<br />

zu machen.<br />

Folgende Bedingungen scheinen mir da wichtig zu sein:<br />

4.1. Klärung der Zielgruppe.<br />

Erkenntnisse aus Religionssoziologie und Bildungsforschung<br />

zu sozialen Milieus 15 und unterschiedlichen Glaubenstypen<br />

zeigen: Sowohl Veranstaltungsorte als auch Lernformen<br />

sind milieugebunden. Die Frage ist also: Wen erreichen<br />

wir wo und wie? Überparochiale Bildungseinrichtungen<br />

erreichen vor allem das Milieu der Konservativen, das<br />

sind Bildungsbürger im Ruhestand mit einem hohen Interesse<br />

an akademischer Diskussion, an Kunst und Kultur.<br />

Doch die <strong>EEB</strong> kann auch modernere Milieus erreichen,<br />

z.B. Postmaterielle und Bürgerliche Mitte oder Experimentalisten.<br />

16 Gemeinden erreichen eher Traditionsverwurzelte<br />

oder Bürgerliche Mitte, hier ist die Verbindung mit geselligen<br />

Angeboten und der informellen Ebene wichtig oder der<br />

Bezug zu Kindern und Familienthemen.<br />

Doch nicht nur die Lernorte, auch die Inhalte und Ziele<br />

sind verschieden.<br />

Erste Vermutungen in diese Richtungen, z. B. von UTA<br />

POHL-PATALONG 17 , zeigen: Die Konservativen suchen<br />

vermutlich eher intellektuelle Glaubensvertiefung im aka-<br />

demischen Setting, während Postmaterielle und Experimentalisten<br />

eher die spirituelle Erfahrung, den interreligiösen<br />

Dialog oder auch den lebenserfahrungsbezogenen Austausch<br />

suchen. Für die Bürgerliche Mitte stehen auch der<br />

Bezug zum eigenen Leben, die geistliche Stärkung und die<br />

Weitergabe an die eigenen Kinder im Mittelpunkt. Gemeinschaftsorientierte<br />

Angebote haben hier ihre besondere<br />

Chance. Die ganz modernen, jungen Milieus sind ganz<br />

schwer erreichbar, manche mögen sich vom „Alpha-<br />

Kurs“ 18 mit seiner Kontaktfreudigkeit und seinen klaren Antworten<br />

angezogen sehen, weil das ihrem Pragmatismus entspricht.<br />

Traditionsverwurzelte suchen eher das persönliche<br />

Gespräch mit dem Pfarrer als ein „Seminar“, und die Milieus<br />

mit hoher Kirchendistanz sind vermutlich gar nicht auf<br />

derartige Angebote ansprechbar, sondern nur im Kontext<br />

von eigenen Krisenerfahrungen, in denen sie Unterstützung<br />

brauchen.<br />

Schließlich ist auch auf unterschiedliche Formen von<br />

Religiosität zu achten: Die religionssoziologischen Untersuchungen<br />

der letzten Jahre zeigen, dass sich das an der<br />

traditionellen Glaubenslehre orientierte Christentum mit gemeinsamer<br />

Glaubensbasis zunehmend auflöst. Es gibt<br />

auch innerhalb der Kirche sehr unterschiedliche Glaubensvorstellungen<br />

und sehr unterschiedliche Kombinationen von<br />

Religiosität und Kirchlichkeit. 19 Er gibt neben den Christen<br />

mit einem noch auf der christlichen Glaubenslehre beruhenden<br />

Glaubensverständnis religiös Suchende, die auf der<br />

Basis des christlichen Glaubens nach für sie schlüssigen<br />

Antworten auf die Frage nach Sinn und Zweck ihres Lebens<br />

suchen und dabei Antworten aus unterschiedlichen<br />

Religionen und geistlichen Strömungen integrieren, und es<br />

gibt Kirchendistanzierte mit selbstdefiniertem Glauben, die<br />

sich aus verschiedenen Religionen plus Esoterik das zusammenbasteln,<br />

was für sie Sinn macht. Und es gibt eine<br />

wachsende Gruppe von Pragmatikern, die sich für Glaubensfragen<br />

nicht interessiert, trotzdem aber aus sozialen<br />

bzw. familiären Gründen an religiösen Handlungen partizipiert.<br />

Und dann gibt es die, die sich aktiv und bewusst von<br />

Glauben jeder Art distanzieren und als Atheisten bezeichnen;<br />

das sind ca. 27% der deutschen Bevölkerung, vor allem<br />

in Ostdeutschland; dort ist der Anteil etwa dreimal so<br />

hoch wie im Westen. 20<br />

Schon von daher ist es natürlich auch eine Frage, welche<br />

Lernform und welcher Lernweg der eigenen Religiosität<br />

entspricht oder widerspricht, ob eher klare Orientierung<br />

in Krisen oder Anstöße zur Selbstfindung gesucht werden.<br />

13

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