28.11.2012 Aufrufe

Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20 21<br />

Kunde im Sinne dieser Denkrichtung ist schließlich auch <strong>der</strong> gegenwärtige<br />

Stand <strong>der</strong> wissenschaftlichen Erkenntnis: aus dem Fachwissen leiten sich ganz<br />

wesentliche Anfor<strong>der</strong>ungen über das „Wie“ des Behandlungsprozesses ab.<br />

Für das „Was“ des Behandlungszieles spielt das Fachwissen dagegen in <strong>der</strong><br />

heutigen Zeit eine weitaus geringere Rolle, als dies früher <strong>der</strong> Fall war: Kundenorientierung<br />

im Sinne <strong>der</strong> Respektierung <strong>der</strong> Patientenwünsche und <strong>der</strong><br />

informierten Zustimmung zu Behandlungseingriffen hat hier bereits den Stellenwert<br />

des Fachwissens für die Festlegung <strong>der</strong> Behandlungsziele verdrängt.<br />

War es früher noch üblich, dass <strong>der</strong> Arzt alleine aufgrund seines Fachwissens<br />

und einer herrschenden Fachmeinung entschied, ob und wie bestimmte Erkrankungen<br />

und Symptome zu behandeln sind, beschränkt sich heute diese<br />

Stellvertreterfunktion des Arztes – und des Betreuers! – auf einige wenige<br />

Konstellationen, in denen nach herrschen<strong>der</strong> Rechtsauffassung und fachlicher<br />

Erkenntnis krankheitsbedingt keine ausreichende natürliche Willensbildung<br />

mehr vorliegt. Kundenorientierung bedeutet deshalb nicht zwangläufig buchstabengetreues<br />

Umsetzen expliziter Patientenfor<strong>der</strong>ungen in je<strong>der</strong> Situation,<br />

son<strong>der</strong>n komplexe Abwägung aller Komponenten des vielfältigen situativen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungsspektrums; selbstverständlich wird <strong>der</strong> Arzt sich auch weiterhin<br />

<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung des depressiven o<strong>der</strong> wahnhaften Patienten nach Sterbehilfe<br />

verweigern und nötigenfalls nach Herstellung <strong>der</strong> rechtlichen Voraussetzungen<br />

auch gegen den Willen des Betroffenen behandeln; selbstverständlich<br />

Auch dieser Aspekt ist nicht trivial. Es wäre zwar im industriellen Bereich,<br />

im Handel und im Bereich kommerzieller Dienstleistungen kaum denkbar,<br />

dass ein Anbieter sich nicht um die Wahrnehmung – sprich: die Zufriedenheit<br />

seiner Kunden – als zentralem Parameter seines Geschäftserfolges kümmern<br />

würde. Theoretisch denkbar wird es allerdings dann, wenn dieser Anbieter<br />

Monopolist wäre, also kein marktüblicher Wettbewerb bestünde. In <strong>der</strong> vor<br />

16 Jahren überwundenen sozialistischen Planwirtschaft war dies Realität.<br />

Monopolleistungen und weitgehend fehlenden Wettbewerb haben wir allerdings<br />

auch im Krankenhausbereich. Haben Sie in <strong>der</strong> Notfallsituation Alternativen<br />

zu ihrem ortsnahen, aufnahmepflichtigen Bezirkskrankenhaus? Bekommt<br />

<strong>der</strong> depressive Patient in <strong>der</strong> vermeintlich besseren Psychiatrie in<br />

einem an<strong>der</strong>en Bezirk ohne weiteres und so schnell ein Bett? Der Umstand,<br />

dass wir mit unseren Krankenhausleistungen auch heute noch weitgehend<br />

Monopolisten sind und die <strong>psychisch</strong> Kranken kaum mit den Füßen über die<br />

erfahrene Qualität des Hauses abstimmen, indem Sie gegebenenfalls beim<br />

nächsten Mal woan<strong>der</strong>s hingehen, hat uns im Krankenhausbereich blind gemacht<br />

für die Qualitätswahrnehmung <strong>der</strong> Patienten, <strong>der</strong> <strong>Angehörigen</strong> und <strong>der</strong><br />

Lassen Sie mich zum Abschluss noch den zweiten eingangs erwähnten Aspekt<br />

<strong>der</strong> Kundenorientierung erläutern; er lautet: Es ist <strong>der</strong> Kunde, <strong>der</strong> den Grad<br />

<strong>der</strong> Erfüllung seiner eigenen Anfor<strong>der</strong>ungen und damit die Qualität <strong>der</strong> Behandlungsleistung<br />

zu beurteilen hat. Auf die Kundenwahrnehmung kommt es<br />

also an.<br />

dass unsere Patienten und unsere Mitarbeiter nicht durch mangelnden Brandschutz,<br />

mangelnde Arbeitssicherheitsbedingungen und mangelnde Hygiene<br />

gefährdet werden. Diese Vielschichtigkeit des Kundenbegriffs in <strong>der</strong> Medizin<br />

ist einer <strong>der</strong> vielen Unterschiede zur Industrie und zum Handel. Kundenorientierung<br />

bedeutet die Orientierung <strong>der</strong> Dienstleistung „Behandlung“ an den<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen dieser vielen, gerade genannten Kunden, nicht aber die Umbenennung<br />

<strong>der</strong> Menschen, die wir zu behandeln haben, von Patienten in<br />

Kunden. Es ist die Denkrichtung, die damit gemeint ist, und nicht die Bezeichnung,<br />

um die es geht.<br />

wird sich <strong>der</strong> Arzt auch weiterhin <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung des hochgradig selbsto<strong>der</strong><br />

fremdgefährdenden Manikers auf sofortige Entlassung verweigern; und<br />

selbstverständlich wird <strong>der</strong> Arzt auch weiterhin den zu einer natürlichen<br />

Willensbildung nicht mehr befähigten, schwer Demenzkranken trotzdem behandeln.<br />

In dieser Stellvertreterfunktion für die Ermittlung des natürlichen<br />

Willens, die <strong>der</strong> Betroffene im gesunden Zustand wohl gehabt hätte, spielt natürlich<br />

die Einbeziehung <strong>der</strong> <strong>Angehörigen</strong> eine wichtige Rolle.<br />

Landestreffen<br />

Gesetzesdschungel<br />

tagungsband02.qxd 07.02.2007 9:44 Uhr Seite 20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!