28.11.2012 Aufrufe

Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

118 119<br />

Thementagung<br />

Mein Vater bekam seinen ersten schizophrenen Schub als ich 15 Jahre alt war,<br />

das war vor ca. 15 Jahren, also 1991. Ich hatte zu <strong>der</strong> Zeit gerade zum ersten<br />

Mal eine Freundin und begann die typischen Merkmale eines rebellischen Jugendlichen<br />

zu entwickeln. Da geschah es eines Tages, dass mein Vater meine<br />

Freundin und mich mit dem Auto aus <strong>der</strong> benachbarten Stadt abholen sollte.<br />

Als uns mein Vater dort begegnete, war er sehr eigenartig. Er zeigte sehr seltsame<br />

Verhaltensweisen wie zum Beispiel starke Orientierungslosigkeit, ein<br />

starkes „Getrieben-sein“ und Hast, als würde er verfolgt, und Angst. Er wusste<br />

nicht mehr genau, wo sein Auto stand, wir waren zuerst damit beschäftigt,<br />

Ich möchte jetzt davon erzählen, welchen Weg ich als Sohn eines<br />

an Schizophrenie erkrankten Vaters gegangen bin:<br />

Ich wuchs in meiner Familie auf dem oberbayerischen Lande in einem kleinen<br />

Dorf auf. Neben mir gibt es noch einen etwas jüngeren Bru<strong>der</strong>. Mein Vater<br />

arbeitete zu <strong>der</strong> Zeit und meine Mutter warf den Haushalt und erzog uns<br />

zwei Brü<strong>der</strong>. Mein Vater hatte damals große Probleme in seinem Beruf und<br />

war daher schon längere Zeit sehr gestresst und emotional labil. Auch lief es<br />

in <strong>der</strong> Ehe meiner Eltern nicht sehr gut. Schon während meiner gesamten<br />

Kindheit litt ich unter den cholerischen Wutausbrüchen meines Vaters, auch<br />

unter seiner Strenge, die mich emotional einschnürte.<br />

Auch hatte ich schon lange das Empfinden, dass mein Vater sich oft sehr seltsam<br />

verhielt. So kam er sehr häufig plötzlich in mein Zimmer gestürmt, um<br />

mir irgendetwas zu sagen o<strong>der</strong> auch häufig einfach um zu gucken, was ich<br />

machte. Nachts konnte es vorkommen, dass er in mein Bett kriechen wollte,<br />

weil er in meiner Nähe sein wollte. Sehr häufig veräppelte er uns auch, und<br />

oft konnte man nicht zwischen einer seiner komischen Lügen und <strong>der</strong> Wahrheit<br />

unterscheiden. Seltsam war auch, dass er uns Kin<strong>der</strong> häufig erschreckte,<br />

darunter auch abends, wenn es dunkel war, vor dem Einschlafen.<br />

Meine Mutter fungierte, solange ich denken kann, immer als ausgleichendes<br />

Regulativ. Sie musste uns Kin<strong>der</strong> oft vor meinem Vater in Schutz nehmen und<br />

es gab Geheimnisse zwischen Mutter und uns Brü<strong>der</strong>n, die Vater nicht wissen<br />

durfte.<br />

Die nächsten Tage ging es Zuhause mit den Seltsamkeiten weiter. Mein Vater<br />

war sehr paranoid, redete davon, dass er von den Verwandten vergiftet werden<br />

soll, dass das Fernsehprogramm extra gemacht ist, um ihn zu beeinflussen<br />

und zu täuschen. Er behauptete, dass wir Kin<strong>der</strong> und Mutter uns gegen ihn<br />

verschworen hätten.<br />

Eines <strong>der</strong> eigenartigsten Vorkommnisse war, dass er das gejätete Unkraut aus<br />

<strong>der</strong> Biomülltonne fischte und begann, es wie<strong>der</strong> einzupflanzen. Noch dazu<br />

äußerte mein Vater konkrete Selbsttötungsabsichten, er würde gegen einen<br />

Baum fahren.<br />

Zu dieser Zeit sperrte ich nachts mein Zimmer zu, weil ich Angst hatte, mein<br />

Vater könnte reinkommen und etwas Gefährliches machen. In meiner Phantasie<br />

wäre er vielleicht mit einem Messer auf mich los gegangen, man hat ja<br />

schon von ähnlichen Fällen in den Nachrichten gehört, und ich wusste ja, dass<br />

mein Vater sehr aggressiv und jähzornig sein konnte. Ich hatte also eine vage<br />

Angst, dass mein Vater seine Familie umbringen könnte.<br />

Nach mehreren Tagen dieser gespenstischen Szenerie, die wir in Angst und<br />

Schrecken verbrachten, wurde mein Vater durch einen gerichtlichen Beschluss,<br />

den meine Mutter und die Schwester meines Vaters erwirken konnten,<br />

von <strong>der</strong> Polizei abgeholt und zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.<br />

Dort blieb er aber lei<strong>der</strong> nicht lange. Mein Vater bombardierte meine Mutter<br />

mit Telefonanrufen und bettelte sie an, dass sie ihn sofort wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Klinik<br />

holen soll. Er behauptete, dass wie<strong>der</strong> alles in Ordnung sei, ihm fehle jetzt<br />

nichts mehr und er wisse nicht, was er überhaupt in <strong>der</strong> Psychiatrie solle. Er<br />

Kin<strong>der</strong><br />

den parkenden Wagen zu suchen. Vater war emotional total aufgewühlt und<br />

verzweifelt. Ich musste ihm dann ganz genau den Weg erklären, den er mit<br />

dem Auto zu fahren hatte, obwohl er die Gegend gut kannte. Es war eine sehr<br />

beunruhigende Autofahrt, und mein Vater, den ich sonst eher als recht souveränen<br />

Autofahrer und Menschen kannte, war für mich nicht mehr wie<strong>der</strong>zuerkennen.<br />

Auch meiner Freundin fiel <strong>der</strong> eigenartige Zustand meines Vaters<br />

auf. Kurz gesagt, es war ein gänzlich an<strong>der</strong>er Vater, als <strong>der</strong>, den ich kannte.<br />

tagungsband02.qxd 07.02.2007 9:44 Uhr Seite 118

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!