Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...
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Thementagung<br />
Mein Vater bekam seinen ersten schizophrenen Schub als ich 15 Jahre alt war,<br />
das war vor ca. 15 Jahren, also 1991. Ich hatte zu <strong>der</strong> Zeit gerade zum ersten<br />
Mal eine Freundin und begann die typischen Merkmale eines rebellischen Jugendlichen<br />
zu entwickeln. Da geschah es eines Tages, dass mein Vater meine<br />
Freundin und mich mit dem Auto aus <strong>der</strong> benachbarten Stadt abholen sollte.<br />
Als uns mein Vater dort begegnete, war er sehr eigenartig. Er zeigte sehr seltsame<br />
Verhaltensweisen wie zum Beispiel starke Orientierungslosigkeit, ein<br />
starkes „Getrieben-sein“ und Hast, als würde er verfolgt, und Angst. Er wusste<br />
nicht mehr genau, wo sein Auto stand, wir waren zuerst damit beschäftigt,<br />
Ich möchte jetzt davon erzählen, welchen Weg ich als Sohn eines<br />
an Schizophrenie erkrankten Vaters gegangen bin:<br />
Ich wuchs in meiner Familie auf dem oberbayerischen Lande in einem kleinen<br />
Dorf auf. Neben mir gibt es noch einen etwas jüngeren Bru<strong>der</strong>. Mein Vater<br />
arbeitete zu <strong>der</strong> Zeit und meine Mutter warf den Haushalt und erzog uns<br />
zwei Brü<strong>der</strong>. Mein Vater hatte damals große Probleme in seinem Beruf und<br />
war daher schon längere Zeit sehr gestresst und emotional labil. Auch lief es<br />
in <strong>der</strong> Ehe meiner Eltern nicht sehr gut. Schon während meiner gesamten<br />
Kindheit litt ich unter den cholerischen Wutausbrüchen meines Vaters, auch<br />
unter seiner Strenge, die mich emotional einschnürte.<br />
Auch hatte ich schon lange das Empfinden, dass mein Vater sich oft sehr seltsam<br />
verhielt. So kam er sehr häufig plötzlich in mein Zimmer gestürmt, um<br />
mir irgendetwas zu sagen o<strong>der</strong> auch häufig einfach um zu gucken, was ich<br />
machte. Nachts konnte es vorkommen, dass er in mein Bett kriechen wollte,<br />
weil er in meiner Nähe sein wollte. Sehr häufig veräppelte er uns auch, und<br />
oft konnte man nicht zwischen einer seiner komischen Lügen und <strong>der</strong> Wahrheit<br />
unterscheiden. Seltsam war auch, dass er uns Kin<strong>der</strong> häufig erschreckte,<br />
darunter auch abends, wenn es dunkel war, vor dem Einschlafen.<br />
Meine Mutter fungierte, solange ich denken kann, immer als ausgleichendes<br />
Regulativ. Sie musste uns Kin<strong>der</strong> oft vor meinem Vater in Schutz nehmen und<br />
es gab Geheimnisse zwischen Mutter und uns Brü<strong>der</strong>n, die Vater nicht wissen<br />
durfte.<br />
Die nächsten Tage ging es Zuhause mit den Seltsamkeiten weiter. Mein Vater<br />
war sehr paranoid, redete davon, dass er von den Verwandten vergiftet werden<br />
soll, dass das Fernsehprogramm extra gemacht ist, um ihn zu beeinflussen<br />
und zu täuschen. Er behauptete, dass wir Kin<strong>der</strong> und Mutter uns gegen ihn<br />
verschworen hätten.<br />
Eines <strong>der</strong> eigenartigsten Vorkommnisse war, dass er das gejätete Unkraut aus<br />
<strong>der</strong> Biomülltonne fischte und begann, es wie<strong>der</strong> einzupflanzen. Noch dazu<br />
äußerte mein Vater konkrete Selbsttötungsabsichten, er würde gegen einen<br />
Baum fahren.<br />
Zu dieser Zeit sperrte ich nachts mein Zimmer zu, weil ich Angst hatte, mein<br />
Vater könnte reinkommen und etwas Gefährliches machen. In meiner Phantasie<br />
wäre er vielleicht mit einem Messer auf mich los gegangen, man hat ja<br />
schon von ähnlichen Fällen in den Nachrichten gehört, und ich wusste ja, dass<br />
mein Vater sehr aggressiv und jähzornig sein konnte. Ich hatte also eine vage<br />
Angst, dass mein Vater seine Familie umbringen könnte.<br />
Nach mehreren Tagen dieser gespenstischen Szenerie, die wir in Angst und<br />
Schrecken verbrachten, wurde mein Vater durch einen gerichtlichen Beschluss,<br />
den meine Mutter und die Schwester meines Vaters erwirken konnten,<br />
von <strong>der</strong> Polizei abgeholt und zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.<br />
Dort blieb er aber lei<strong>der</strong> nicht lange. Mein Vater bombardierte meine Mutter<br />
mit Telefonanrufen und bettelte sie an, dass sie ihn sofort wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Klinik<br />
holen soll. Er behauptete, dass wie<strong>der</strong> alles in Ordnung sei, ihm fehle jetzt<br />
nichts mehr und er wisse nicht, was er überhaupt in <strong>der</strong> Psychiatrie solle. Er<br />
Kin<strong>der</strong><br />
den parkenden Wagen zu suchen. Vater war emotional total aufgewühlt und<br />
verzweifelt. Ich musste ihm dann ganz genau den Weg erklären, den er mit<br />
dem Auto zu fahren hatte, obwohl er die Gegend gut kannte. Es war eine sehr<br />
beunruhigende Autofahrt, und mein Vater, den ich sonst eher als recht souveränen<br />
Autofahrer und Menschen kannte, war für mich nicht mehr wie<strong>der</strong>zuerkennen.<br />
Auch meiner Freundin fiel <strong>der</strong> eigenartige Zustand meines Vaters<br />
auf. Kurz gesagt, es war ein gänzlich an<strong>der</strong>er Vater, als <strong>der</strong>, den ich kannte.<br />
tagungsband02.qxd 07.02.2007 9:44 Uhr Seite 118