Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...
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Thementagung<br />
Und ich quälte mich durch das Studium, Monat für Monat. Am Ende stand<br />
sogar eine berufliche Karriere von 2,5 Jahren, in denen ich junge Erwachsene<br />
betreute. Diese Tätigkeit als Pädagoge, die ich auch gut machte, stärkte mein<br />
Selbstwertgefühl ungemein. Jetzt endlich war ich an <strong>der</strong> Stelle, wo nicht mehr<br />
ich <strong>der</strong> Bedürftige war, son<strong>der</strong>n es gab bedürftige Menschen, denen ich helfen<br />
musste. Das war eine wesentlich komfortablere Situation für mich. Und<br />
es war möglich für mich, meine gefühlte Verantwortung für meine Familie<br />
und den Wunsch, ihr zu helfen, an einer an<strong>der</strong>en Stelle kompensatorisch auszuleben.<br />
Ich fühlte mich also in dieser Zeit als werden<strong>der</strong> Übermensch, <strong>der</strong> für alle<br />
Probleme eine Lösung wusste und <strong>der</strong> es vor allem besser wusste als seine<br />
Eltern, und <strong>der</strong> im Grunde wesentlich reifer war als sie und fähig war, ihre<br />
Leiden zu durchschauen und ihnen zu helfen. Aber zu diesem Zeitpunkt ahnte<br />
ich noch nicht, welch großer Irrtum das war und welch ungeheure Anmaßung,<br />
die mir sehr schlecht bekam.<br />
Während meines Studiums und meiner Tätigkeit als Sozialpädagoge machte<br />
ich immer wie<strong>der</strong> Selbsterfahrungsseminare beim Institut für Gestalt und Erfahrung,<br />
absolvierte dort die Ausbildung zum Initiator und Leiter von kreativen<br />
Selbsterfahrungsseminaren. Außerdem durchlief ich meine zweite Psychotherapie,<br />
die wie meine erste wie<strong>der</strong>um ca. drei Jahre dauerte. In dieser<br />
Psychotherapie machte ich sehr wertvolle Erfahrungen und konnte mich mit<br />
Hilfe des Therapeuten maßgeblichen Themen meines Verhältnisses zu mei-<br />
Doch diesmal war <strong>der</strong> Klinikaufenthalt wesentlich erfolgreicher. Er bekam<br />
eine sehr gute therapeutische Behandlung, in <strong>der</strong> er z.B. Psychoedukation bekam<br />
und medikamentös neu eingestellt wurde. Nach <strong>der</strong> Aufklärung über<br />
seine Krankheit weiß mein Vater endlich, was er hat und wie er damit umgehen<br />
kann. Und auch wir an<strong>der</strong>en aus <strong>der</strong> Familie begriffen mit <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong><br />
dortigen Ärzte jetzt zum ersten Mal, um welche Krankheit es sich bei meinem<br />
Vater handelte.<br />
Denn diese Ärzte leisteten auch bei uns eine hervorragende Aufklärungsarbeit.<br />
Ja, hier entwickelte sich überhaupt zum ersten Mal die Bewusstheit darüber,<br />
dass mein Vater eine <strong>psychisch</strong>e Krankheit hatte. Und dieses Wissen machte<br />
uns alle freier, denn wen kann man schon dafür verantwortlich machen, dass<br />
er krank ist. Und wenn eigenartige <strong>psychisch</strong>e Vorgänge, die man sich nicht<br />
Kin<strong>der</strong><br />
Damals wuchs mein Gefühl für „mein Eigenes“, so dass ich eines Tages meine<br />
Schauspielausbildung begann. Dies war das Beste, was ich bisher in meinem<br />
Erwachsenenleben entschieden habe. Nach ca. 5 Monaten Schauspielausbildung<br />
und 2,5 Jahren als Sozialpädagoge verließ ich meine Arbeitsstelle des<br />
Sozialpädagogen und wurde für zwei Jahre Küchenhilfe, um mir meine Schauspielausbildung<br />
zu finanzieren. Als ich das meinem Vater mitteilte, reagierte<br />
er doch glatt mit seinem dritten Fall in die schizophrene Psychose.<br />
Damals kristallisierte sich zuerst <strong>der</strong> Wunsch heraus, nicht mehr bei meinen<br />
Eltern zu wohnen, son<strong>der</strong>n eine eigene Wohnung zu beziehen. Damals war<br />
ich 21 Jahre alt und ich begann Sozialpädagogik zu studieren. Ich probierte<br />
verschiedene Wohnsituationen aus, hatte hier und da mal ein Zimmer und<br />
ging für mein Jahrespraktikum sogar in eine weit entfernte fremde Stadt. Der<br />
Kontakt zu meiner Familie reduzierte sich dadurch natürlich auf wenige Treffen<br />
im Monat und gelegentliche Anrufe. Meine Selbständigkeit wuchs von<br />
Monat zu Monat, wurde aber immer noch von depressiven Attacken und starken<br />
Schuldgefühlen begleitet.<br />
nem Vater stellen. Dieser Therapeut erarbeitete mit mir einen neuen Boden,<br />
auf dem ich als Erwachsener funktionieren konnte, ohne an die Rufe aus <strong>der</strong><br />
Vergangenheit gebunden zu sein, die mich in Schuldgefühle und Depressionen<br />
verwickelten.<br />
Außerdem beschäftigte ich mich mit dem systemischen Familienstellen nach<br />
Hellinger. Ich kam immer mehr dahinter, dass ich mich ziemlich fatal an<br />
meine negative Familiengeschichte binden liess und entdeckte gleichzeitig<br />
mein eigentliches Selbst. Ich war aber noch nicht in <strong>der</strong> Lage, den narzisstischen<br />
und anmaßenden Mechanismus, <strong>der</strong> mich an das Helfen und Erziehen<br />
band, zu erkennen und allmählich aufzulösen. Dies geschieht erst jetzt, als<br />
weitere Etappe meines Weges.<br />
tagungsband02.qxd 07.02.2007 9:44 Uhr Seite 124