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Eva Straub - Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch ...

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Thementagung<br />

Aber wie sich herausstellte, gelang mir das nicht wirklich. Insgeheim fühlte<br />

ich mich so verantwortlich für die Probleme meiner Familie. Die Verantwortung<br />

verfolgte mich überallhin. Sie drückte auch meine Seele wie ein Mühlstein<br />

auf den Hals eines Ertrinkenden. So sehr ich mich auch anstrengte, mein<br />

Leben leben zu wollen, es gelang mir nicht. Schwere Depressionen holten<br />

mich ein, ich fühlte mich dem Tod näher als dem Leben. Ich fühlte mich nach<br />

Kin<strong>der</strong><br />

Zu dieser Zeit knüpfte ich auch Kontakt zu einer Gruppe, die sich „Institut<br />

für Gestalt und Erfahrung“ nennt. Hier nahm ich an einigen Selbsterfahrungsseminaren<br />

teil, die auf <strong>der</strong> Basis von Gestalttherapie funktionierten. Hier<br />

machte ich zum ersten Mal die Erfahrung, dass es so etwas wie einen authentischen<br />

eigenen Willen gibt, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit einer organischen<br />

Bedürfnisbefriedigung heraus resultiert. Ich begriff, dass es die Möglichkeit<br />

gibt, in meinem Leben einen Weg zu gehen, <strong>der</strong> aktiv von meinem<br />

Selbst im Einklang mit meinen eigenen Bedürfnissen gestaltet wird.<br />

Ich begann mich in eine Gleichaltrigengruppe einzuleben, in <strong>der</strong> ich mich<br />

zum ersten Mal sehr frei und selbstbewusst fühlte. Hier begann ich aber auch<br />

exzessiv weiche Drogen wie Cannabis, Alkohol und Zigaretten, zu konsumieren.<br />

Ich flüchtete mit Hilfe dieses Freundeskreises vor meinen Problemen in<br />

eine freie und abenteuerliche Welt von Party, Freundschaft und Rausch.<br />

Gleichzeitig betrieb ich intensivste Selbsterforschung, indem ich regelmäßig<br />

meine Psychotherapeutin besuchte, bewusstseinserweiternde Drogen nahm,<br />

mich mit Psychologie beschäftigte und mein Fachabitur in Sozialwesen<br />

machte.<br />

Aber in dem Maße, wie ich mich mit mir selbst beschäftigte, entfernte ich<br />

mich immer weiter von meiner Familie. Ich begann diese großen Probleme<br />

zuhause einfach hinter mir zu lassen.<br />

Als ich das Gefühl hatte, nicht mehr mit meinen seelischen Problemen zurechtzukommen,<br />

entschloss ich mich, als ich 17 Jahre alt wurde, eine dreijährige<br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendlichen-Psychotherapie zu beginnen. Diese Entscheidung<br />

traf ich alleine, ohne meine Eltern miteinzubeziehen. Zu diesem Zeitpunkt<br />

ging es mir sehr schlecht, mein mangelndes Selbstvertrauen kombinierte<br />

sich mit Depressionen. Zuhause lag <strong>der</strong> Scheinfrieden über meiner Familie,<br />

während meine Mutter und auch mein Vater sehr depressiv waren, mein Bru<strong>der</strong><br />

begann sich immer mehr aus <strong>der</strong> Familie zu distanzieren, indem er sich<br />

zurückzog und schulisch nicht mehr die gewünschten Leistungen brachte und<br />

in seinem sozialen Verhalten problematisch wurde. Es lag ein Hauch von<br />

Scheitern, Zerstörung und Untergang über unserer Familie.<br />

Aus dieser Not heraus entschloss ich mich dann endgültig, dieses rauschhafte<br />

Leben hinter mir zu lassen und beruflich in eine helfende Tätigkeit zu gehen,<br />

und zwar in den Beruf des Sozialpädagogen. Ich begann das Studium. Immerhin<br />

bestand dort die Möglichkeit, noch mehr über die Not herauszufinden<br />

und darüber, wie man sie lin<strong>der</strong>n kann. Somit sah ich die Chance, dass ich<br />

mir erstens selbst helfen konnte und zweitens etwas für meine Familie tun<br />

kann.<br />

Nach wie vor fühlte ich den Auftrag in mir, meiner Familie zu helfen. Diesen<br />

Auftrag gab ich mir selber, er wurde aber auch teilweise von meinen Eltern<br />

an mich gegeben.<br />

Ich fühlte mich sehr behütet in diesem Milieu <strong>der</strong> helfenden Menschen. Ich<br />

kam mir vor wie ein edler weißer Ritter, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e retten kann. Das hat meinem<br />

Ego sehr gut getan. Aber nach wie vor quälten mich selbst schwere Depressionen<br />

und ein geringes Selbstwertgefühl. Und eigentlich war ich selbst<br />

<strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> Hilfe gebraucht hätte. Ich fühlte ständig, dass mir eigentlich<br />

die Kraft mangelte, diesen Beruf ausüben zu können.<br />

wie vor zutiefst mitverantwortlich für all das Schwere und Schlimme, das zuhause<br />

in meiner Familie stattgefunden hat. Und in dem Maße, wie ich erwachsener<br />

und selbständiger wurde, nahmen auch die Schuldgefühle zu.<br />

tagungsband02.qxd 07.02.2007 9:44 Uhr Seite 122

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