Jahresblick 2007 - Bezirksregierung Münster
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76<br />
Abteilung 4 - Schule<br />
Kinderschutz<br />
Schulen sollen genauer hinsehen<br />
Das Ziel, allen Kindern gute Bedingungen für<br />
ihr Aufwachsen zu schaffen und sie dabei zu<br />
schützen, ist in der Gesellschaft allgemein anerkannt.<br />
Dennoch zeigen Ereignisse und Diskussionen<br />
in der jüngsten Vergangenheit, dass<br />
dieses Ziel nicht die Realität für alle Kinder trifft.<br />
Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass in der<br />
Bundesrepublik etwa 200.000 Kinder gravierenden<br />
Einschränkungen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten,<br />
Vernachlässigungen, körperlicher Gewalt<br />
und sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind.<br />
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche<br />
Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende<br />
Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“,<br />
so steht es in Artikel 6(2) des Grundgesetzes.<br />
Diese Verpflichtung nehmen Eltern heute in vielen<br />
Fällen nicht oder nicht hinreichend wahr oder können<br />
sie nicht bewältigen. In dieser Situation kommt dem vom<br />
Grundgesetz formulierten staatlichen Wächteramt eine<br />
hohe Bedeutung zu. Traditionell nimmt die öffentliche<br />
Jugendhilfe diese Aufgabe wahr. So ist es auch als<br />
„Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ nach §8a<br />
SGB VIII formuliert. In der Vergangenheit ist aber deutlich<br />
geworden, dass die Mitarbeiter der Jugendämter<br />
auch auf Informationen über problematische Lebenslagen<br />
von Minderjährigen angewiesen sind, über die<br />
zum Beispiel Erzieher und Lehrer verfügen.<br />
Daher sagt das Schulgesetz des Landes im neuen Paragraph<br />
42 Absatz 6: „Die Sorge für das Wohl der<br />
Schüler erfordert es, jedem Anschein von Vernachlässigung<br />
oder Misshandlung nachzugehen. Die Schule<br />
entscheidet rechtzeitig über die Einbeziehung des Jugendamtes<br />
oder anderer Stellen.“<br />
Sicherlich hat sich auch in der Vergangenheit schon<br />
manche Schule für den Schutz ihrer Schülerinnen und<br />
Schüler eingesetzt; nun sind jedoch alle Schulen verpflichtet,<br />
ihren Schutzauftrag wahrzunehmen und aktiv<br />
zu gestalten. Die Schulen müssen also Rechenschaft<br />
über ihr Tun ablegen und können zur Verantwortung<br />
gezogen werden, wenn sie diesen Auftrag nicht beachten<br />
oder unzureichend wahrnehmen.<br />
Mit ihrem „Handlungskonzept für einen besseren und<br />
wirksameren Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen“<br />
betont die Landesregierung, dass sie Lehrer qualifizieren<br />
und stärken will, damit Vernachlässigungen von<br />
Kindern wahrgenommen werden und entsprechende<br />
Reaktionen erfolgen können.<br />
Die im Schulgesetz verwendeten Worte wie „Anschein“<br />
und „Vernachlässigung“ sind allerdings nicht unproblematisch.<br />
Es sind juristisch nicht eindeutig zu fassende<br />
Begriffe, die Interpretationsmöglichkeiten zulassen. Auch<br />
der in diesem Zusammenhang oft gebrauchte Begriff<br />
„Kindeswohlgefährdung“ wirft als unbestimmter Rechtsbegriff<br />
Fragen auf.<br />
Kontakt: Ulrich Gläßer