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NEU - Schweizer Jäger

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Von Heini Hofmann<br />

Der grosse Bekanntheitsgrad<br />

des Eichhörnchens dürfte vier<br />

Gründe haben: Zum ersten, weil<br />

es recht häufig vorkommt, zum<br />

andern, weil es sich auffällig-possierlich<br />

benimmt, zum dritten, weil<br />

es – wie Schwalbe, Amsel, Spatz<br />

und Ratte – vor dem Menschen<br />

keinen allzu grossen Respekt hat,<br />

und zum letzten schliesslich, weil<br />

sein Tagesablauf dem unsrigen ungefähr<br />

entspricht, so dass man den<br />

Waldkobold tatsächlich auch zu<br />

Gesicht bekommt, wesentlich einfacher<br />

jedenfalls als extreme Kulturflüchter<br />

oder gar nachtaktive<br />

Tiere.<br />

Sommersiesta ja,<br />

Winterschlaf nein<br />

Eichhörnchen sind ausgesprochene<br />

Tagtiere mit gewöhnlich<br />

zwei Aktivitätsphasen: Beim<br />

Morgengrauen werden sie munter,<br />

über Mittag halten sie Siesta,<br />

am Nachmittag sind sie wieder<br />

aktiv, und vor Sonnenuntergang<br />

gehen sie schlafen. Im Herbst<br />

verkürzt sich ihre Mittagsruhe<br />

zunehmend und wird schliesslich<br />

ganz aufgehoben, das heisst<br />

die beiden Aktivitätsphasen verschmelzen<br />

zu einer einzigen, die<br />

mit fortschreitendem Einwintern<br />

zusehends zusammenschrumpft<br />

und sich auf den späteren Morgen<br />

beschränkt.<br />

Entgegen weitverbreiteter<br />

Meinung macht das Eichhörnchen<br />

– ganz im Gegensatz etwa<br />

zu dem ihm verwandten Murmeltier<br />

– keinen Winterschlaf. Aller-<br />

Foto: Claudio Gotsch<br />

Um sieben Ecken: endlich geschützt!<br />

Obschon sie in unserem Land kaum je direkt bejagt worden sind, gehörten die Eichhörnchen dennoch zum jagdbaren<br />

Wild. Bei der Verabschiedung eines neuen Jagdgesetzes – das vom Bundesrat auf 1. April 1988 in Kraft gesetzt<br />

worden ist – haben die Eidgenössischen Räte jedoch anders entschieden. Die lustigen Kobolde sind nun gesamtschweizerisch<br />

und ganzjährig total geschützt. Allerdings war das kein Entscheid auf Anhieb, sondern vielmehr ein<br />

schweres politisches Gerangel um diese leichten Tierchen, eine Entscheidungsfindung um sieben Ecken, die hier<br />

kurz rekapituliert sei.<br />

Eichhörnchen waren also gemäss altem Gesetz jagdbares Wild, wobei nur neun Kantone mit Revierjagd eine Schonzeit<br />

kannten. Im Entwurf zum neuen Jagdgesetz war eine solche dann grundsätzlich nicht mehr enthalten. Das passte<br />

dem Nationalrat nicht; er forderte totalen Schutz. Anders der Ständerat, der eine Freigabe zur Jagd befürwortete.<br />

Diese Situation bedingte eine Differenzbereinigung. Denn wegen einem solchen Detail konnte man die Absegnung<br />

eines ganzen Gesetzes nicht auf die lange Bank schieben; also musste entschieden werden.<br />

Und wie fielen die Würfel? Der Nationalrat blieb hart, der Ständerat gab nach – und somit sind die Eichhörnchen<br />

geschützt. Wäre der Ständerat stur geblieben und der Nationalrat weich geworden, dann... Bedanken also mussten<br />

sich die kleinen Waldkobolde bei der grossen, eichhörnchenfreundlichen Kammer. Jedenfalls haben sie gemerkt,<br />

dass ein politischer Entscheid gelegentlich vom berühmten Zünglein an der Waage abhängt. Besonders spassig,<br />

wenn’s um die eigene Haut geht! HH<br />

Typische Eichhörnchenpose:aufrechte<br />

Körperhaltung,<br />

S-förmig aufgekrümmter<br />

Schwanz<br />

und Gebrauch<br />

der Vorderpfoten<br />

wie Hände. Auffallend<br />

sind die lustigen<br />

Ohrbüschel.<br />

Die (heute noch im<br />

wissenschaftlichen<br />

Namen aufscheinende)Bezeichnung<br />

der alten<br />

Griechen für das<br />

Eichhörnchen war<br />

«der sich mit dem<br />

Schwanz Schattengebende».<br />

Dank seinem possierlichen<br />

Wesen<br />

wurde das Eichhörnchen<br />

zu einem<br />

der beliebtesten<br />

einheimischen<br />

Wildtiere. Schade<br />

nur, dass es noch<br />

so schlecht erforscht<br />

ist.<br />

Foto: naturpix.ch/m.p.stähli<br />

dings schränkt es seine Aktivität<br />

in der kalten Jahreszeit stark ein<br />

und verlässt das Nest erst spätmorgens<br />

und lediglich für kurze<br />

Zeit. Dabei verrichtet es nur das<br />

Unvermeidliche: Nahrungssuche<br />

und Notdurft. Schnee und tiefe<br />

Temperaturen allein schrecken es<br />

nicht zurück, doch meidet es stürmische<br />

und niederschlagsreiche<br />

Schlechtwetterperioden.<br />

Zum Klettern geboren<br />

Noch gehört das Eichhörnchen<br />

zu den schlecht erforschten einheimischen<br />

Wildtieren. Löbliche<br />

Ausnahmen in unserem Land<br />

bilden Arbeiten aus dem Zoologischen<br />

Institut und der Ethologischen<br />

Station der Universität<br />

Bern sowie Untersuchungen an<br />

der Universität Neuenburg. Studien<br />

an Eichhörnchen in der freien<br />

Wildbahn sind deshalb nicht einfach,<br />

weil sich die Tiere meist unbeobachtbar<br />

in Baumkronen aufhalten,<br />

und weil Männchen und<br />

Weibchen sich bezüglich Aussehen,<br />

Färbung, Grösse und Gewicht<br />

kaum unterscheiden lassen.<br />

Eindrücklich ist die Anpassung<br />

der Eichhörnchen ans Leben<br />

auf den Bäumen. Die anatomischen<br />

Proportionen mit dem<br />

geschmeidigen Körper, dem<br />

leichten Knochenbau, den sehr<br />

muskulösen Hinter- und den äusserst<br />

geschickten Vorderbeinen<br />

mit den langen, gebogenen Krallen<br />

an Zehen und Fingern machen<br />

die Eichkatzen zu wahren Kletterkünstlern,<br />

die sich nur selten am<br />

Boden aufhalten (ausser in Pärken,<br />

wo sie als zahme Tiere beim<br />

Futterbetteln atypisches Verhalten<br />

zeigen).<br />

Steuer, Balance und Signal<br />

So wie es beim Menschen<br />

eine Hamolstellung, so gibt es<br />

beim Eichhörnchen eine Kalenderblattpose:<br />

auf einem Ast aufrecht<br />

sitzend, manierlich eine<br />

Haselnuss oder einen Tannzapfen<br />

in den Vorderpfoten haltend<br />

und den buschigen Schwanz – einem<br />

Sonnenschirm gleich – Sförmig<br />

über den Rücken geschlagen.<br />

Die alten Griechen nannten<br />

diese lebende Statuette «Skiouros»,<br />

zu Deutsch «der sich mit<br />

dem Schwanz Schattengebende».<br />

Diese poetische Umschreibung<br />

blieb dem Eichhörnchen in<br />

seinem Gattungsnamen (Sciurus<br />

vulgaris) bis heute verhaftet.<br />

Allerdings: Das Schattenspenden<br />

dürfte wohl die unwichtigste<br />

Aufgabe dieses mächtigen<br />

Schwanzes sein. In erster Linie<br />

dient er als Steuerruder bei weiten<br />

Sprüngen oder als Balancierstange<br />

beim Klettern, dann auch<br />

als optischer Signalgeber bei<br />

der Balz (Liebesvorspiel) und<br />

schliesslich als Kälteschutz im<br />

<strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 4/2012 23<br />

Wildkunde

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